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Film & Serien Michael Haneke, der Handwerker der Gewalt

Seine Filme schockieren. Gewalt zieht sich in verschiedenen Formen wie ein roter Faden durch die Filme von Michael Haneke. Wie genau, expliziert Kulturwissenschaftler und Filmpublizist Johannes Binotto anhand von drei Filmen.

«Caché» ist die Geschichte eines erfolgreichen Pariser Ehepaares. Sie leben gut. Eines Tages taucht eine Videokassette auf. Auf der ist ihr Haus zu sehen, wie von einer Überwachungskamera gefilmt. Mit der Zeit liegen immer mehr Kassetten vor der Haustür, und Georges (Daniel Auteuil) macht sich auf die Suche nach dem Urheber der mysteriösen Bänder. Caché hat eine interessante filmtechnische Komponente: Haneke hat den Film so gedreht, dass der Zuschauer sich nie wirklich sicher sein kann, ob es jetzt eine zweite Kamera ist, die filmt, oder die richtige Kamera auf dem Filmset.

Ein Junge, der nur als schwarzer Umriss zu erkennen ist, mit einer Axt in der Hand.
Legende: «Die Gewalt liegt in der Technik.» – Johannes Binotto zu «Caché». Frenetic Films

Das Unheimliche am Film ist also nicht nur die Frage: Wer macht diese Videos, sondern auch: Wer filmt diesen Film? Filmpublizist Johannes Binotto sieht in diesem technischen Trick die Stärke von Caché. «Die Gewalt ist sehr präsent, nicht primär inhaltlich, sondern im Bild selbst. In Caché ist schon die Auswahl des Bildausschnitts eine subtile Form von Gewalt. Gewalt liegt in der Technik – darin liegt die Brillanz dieses Films», erklärt Binotto.

«Funny Games»

«Funny Games» erzählt die Geschichte einer dreiköpfigen Familie, deren Urlaubsidylle von zwei unbekannten Männern auf radikalste Weise zerstört wird. Die Männer dringen abrupt in die Privatsphäre der Familie ein und spielen brutale Spielchen mit ihren Opfern. Johannes Binotto: «Funny Games lokalisiert die Gewalt in der Gestalt der zwei Männer. Wie bei den Monstren im Horrorfilm wird Gewalt so eindeutig verortet, um so letztlich gebannt zu werden.» Unterlaufen wird dies dadurch, dass die zwei Schurken schneeweiss angezogen sind und sich völlig emotionslos verhalten, wie zwei Roboter. «Dadurch werden die Übeltäter auch entpsychologisiert. Man versteht nicht, wieso sie diese schrecklichen Dinge tun, eher ist es, als würden sie nur automatisch ausführen, was dem Publikum an Gewaltfantasien unterstellt wird», so Binotto weiter.

«Das weisse Band»

Drei Schüler und eine Schülerin stehen mit gesenkten Köpfen hinter ihren Pulten. Vorne im Bild ist der Kopf des älteren Lehrers von hinten zu sehen.
Legende: Gewalt durch strenge Komposition: Michael Hanekes «Das weisse Band» aus dem Jahr 2009. filmcoopi

Die Handlung des in Schwarzweiss gedrehten Films ist kurz vor dem ersten Weltkrieg anzusiedeln. «Das weisse Band» erzählt die Geschichte von einem kleinen fiktiven Dorf (Eichwald), in dem die Kinder von den Erwachsenen durch moralische Unterdrückung, Misshandlung und Missbrauch zwanghaft unterdrückt werden. Der Film schildert eine traumatische und bedrückende Stimmung. «Das weisse Band ist auch darum ein gewalttätiger Film, weil er so unheimlich streng komponiert ist. Zum andern bereitet der Film auf die Gewalt des ersten Weltkriegs vor, indem er die Handlung kurz vor Kriegs-Ausbruch situiert», erklärt Binotto.

Das grosse Thema, in jeder Hinsicht

Haneke sieht jede Kunst als ein Handwerk: «Ein Musiker, der die Technik nicht beherrscht, ist kein Musiker. Wir sind alle Handwerker und müssen tun, was wir können.» Haneke ist bekannt dafür, nichts dem Zufall zu überlassen. Nicht beim Dreh, bei den Schauspielern, beim Schnitt. Johannes Binotto: «Auch in dieser Hinsicht ist Gewalt das grosse Thema in Hanekes Werk: Er will auch handwerklich alles in seiner Gewalt haben.»

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