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Autonome Fahrzeuge Autos müssen menschlicher werden

Menschen kommunizieren. Auch im Strassenverkehr. Selbstfahrende, also autonome Autos müssen das noch lernen.

Blickkontakt, Handzeichen, Rufe: Der Strassenverkehr braucht Kommunikation. Das macht die Entwicklung autonomer Autos kompliziert, denn sie können sich nicht mit Fussgängern verständigen. Doch das könnte sich bald ändern.

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Was willst du? – Wie autonome Autos mit Fussgängern kommunizieren
aus Wissenschaftsmagazin vom 14.01.2017. Bild: Daimler
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 52 Sekunden.

Ältere Dame hält die Zukunft auf

In Automobilkreisen erzählt man sich eine Geschichte davon, wie eine ältere Dame die Zukunft aufhielt. Sie geht so: Der deutsche Autohersteller Daimler schickte einen selbstfahrenden Testwagen auf den Weg von Mannheim nach Pforzheim.

Das Auto war nicht als autonomes Fahrzeug gekennzeichnet und am Steuer sass zur Sicherheit ein menschlicher Fahrer, um im Notfall einzugreifen.

Als das Auto an einen Zebrastreifen kam, bemerkten seine Sensoren eine ältere Dame. Das Fahrzeug hielt an, um sie vorbeizulassen.

«Die alte Dame wollte das aber ganz in Ruhe machen und hat dem Auto gewinkt, nach dem Motto: ‹Fahr Du erstmal, ich brauche meine Zeit›», erzählt Alexander Mankowsky von der Daimler Zukunftsforschung. Doch das Auto reagierte nicht auf die Gesten der Dame. Schliesslich habe der Fahrer die Automatik ausschalten müssen und sei von Hand über den Zebrasteifen gefahren.

Autos mit Augen – ein akademischer Ansatz

Die Geschichte bringt auf Punkt, wo beim autonomen Fahren eine der grundlegenden Schwierigkeiten liegt. Heute sind Fahrzeuge im Strassenverkehr eine Art Einheit aus Mensch und Maschine. Wenn man den Menschen aus dieser Einheit entfernt, weil man ein autonomes Auto baut, dann muss das Auto selbst sozusagen menschlicher werden. Es muss zum Beispiel wie ein menschlicher Fahrer mit Fussgängern kommunizieren. Nur wie?

Es gibt akademische Ansätze. Forscher des Massachusetts Institute of Technology, kurz: MIT, haben etwa ein Modellauto entwickelt, das mit künstlichen Augen Blickkontakt zum Fussgänger hält und eine Art rudimentäre Körpersprache besitzt. Ein Video zeigt, wie das funktionieren könnte. Doch solche Konzepte kann man sich noch kaum auf der Strasse vorstellen.

Neue Sprache zwischen Mensch und Maschine

Daimler ist etwas weiter. Der Konzern hat aus der Geschichte mit der alten Dame gelernt und einen autonomen Prototyp F015 gebaut. Ist der Wagen autonom unterwegs, leuchtet der Kühlergrill blau auf. «Dadurch können wir als Menschen langsam erlernen, wie sich ein Automat verhält», sagt Mankowksy. Dieser Lernprozess ist ihm wichtig.

Auto hält vor Fussgänger und projiziert einen Zebrastreifen
Legende: Sieht der Fussgänger den projizierten Zebrastreifen, wartet das Auto. ZVG / Daimler

Denn das autonome Auto soll die zwischenmenschliche Kommunikation nicht ersetzen. Es soll eine neue Sprache zwischen Mensch und Maschine entstehen. Hat der F015 etwa einen Fussgänger erkannt, leuchtet er ihn kurz an. Das ersetzt den Blickkontakt.

Will der Wagen den Fussgänger vorbeilassen, kann er einen Zebrastreifen auf den Asphalt projizieren. Der Fussgänger wiederum kann mit einem Schritt zur Strasse hin oder zurück anzeigen, ob er sie wirklich überqueren will.

Ein gutes Konzept – mit einem Haken

Der Verkehrspsychologe und stellvertretende Direktor der Beratungsstelle für Unfallverhütung in Bern, Stefan Siegrist, ist angetan von dem Konzept. Der projizierte Zebrasteifen etwa sei eine gute Idee: «Das erweitert die Kommunikationsmöglichkeiten», sagt Siegrist.

Die Verständigung mit dem Auto sei jedoch problematisch. «Der Haken ist der, dass man davon ausgeht, dass es eine sehr bewusste Kommunikation gibt. Aber Fussgänger sind nicht primär als Verkehrsteilnehmer unterwegs und das Verkehrsverhalten ist für sie ein Nebenaspekt», sagt der Verkehrspsychologe. Da könnte es schwer werden, einem autonomen Auto eindeutige Signale zu geben.

Nicht nur ein Thema für den Autoverkehr

Dennoch muss das Kommunikationsproblem irgendwie gelöst werden, wenn autonome Autos durch Städte fahren sollen. Das wäre auch für andere Lebensbereiche sinnvoll. Denn autonome Maschinen werden immer mehr in unseren Alltag eindringen – in den Verkehr, an den Arbeitsplatz oder in unser Zuhause. Das klappt nur, wenn Mensch und Maschine sich verstehen.

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