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Gesellschaft & Religion Mann und Heimarbeit: «Nur einer von zehn macht es tatsächlich»

Die Frau kümmert sich um die Kinder. Der Mann verdient das Geld. Das ist noch immer die häufigste Arbeitsteilung – auch in Schweizer Haushalten. So muss es nicht sein, sagt «MenCare», ein Programm zur Förderung des väterlichen Engagements: Markus Theunert über Ängste, Ansprüche und Pediküre.

Warum machen sich noch immer so wenige Männer zuhause nützlich?

Zur Person

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Markus Theunert war bis 2012 Männerbeauftragter des Kantons Zürich. Er ist Leiter der Kampagne «MenCare Schweiz», die der Stärkung väterlicher Präsenz und Fürsorge dient. Die Kampagne steht unter der Leitung von «männer.ch», dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Bis Anfang 2016 war Theunert Präsident von «männer.ch».

Markus Theunert: Männer sind nach wie vor stark leistungsorientiert. Da ist aber auch die alte Vorstellung: «Ein Kind braucht doch seine Mutter!» Daraus entsteht eine widersprüchliche Erwartung, die Männer händeringend zu erfüllen versuchen. Sie wollen Ernährer sein. Und neu auch engagierte Familienväter.

100 Prozent Beruf. Plus 50 Prozent Kinderbetreuung. Aber der Tag hat immer noch nur 24 Stunden.

Männer bemühen sich redlich, unter den gegebenen Rahmenbedingungen das Beste herauszuholen. Aber es ist einfach schwierig. Man kann nicht als Erwerbsmann und Vater zwei Mal 100 Prozent Performance abliefern. Aber letztlich ist das die Erwartung.

Die Gretchenfrage: Wollen die Männer nicht reduzieren, oder können Sie nicht?

Man kann nicht sagen, dass die Unternehmen keine Teilzeitstellen anbieten. Man muss aber sagen, dass die Unternehmen noch relativ wenig Kreativität gezeigt haben, Teilzeitarbeit und Karriereorientierung zu verbinden. Noch immer ist der Regelfall: Wer sich für eine Teilzeitstelle entscheidet, rollt faktisch auf das Abstellgleis.

Und doch behaupten neun von zehn Männern, sie wollen weniger arbeiten.

Ein Vater mit drei Kinder, eines macht auf dem Sofa den Kopfstand.
Legende: Der Mann von heute: Ernährer und Familienvater. Johan Bävman / Men Care

Und nur einer von zehn macht es tatsächlich. Betriebskultur ist ein wichtiger Punkt. Vor allem die Angst vor den schrägen Blicken der Arbeitskollegen, ist ein zentraler Faktor, warum Männer sich nicht trauen. Auch die Angst, dass einen der direkte Vorgesetzte nicht unterstützt. Dass man sich aus dem Rennen nimmt, wenn man Teilzeit arbeitet. Aber auch die widersprüchliche Erwartung vieler Frauen, die einen modernen, aufgeschlossenen, verständnisvollen und engagierten Mann wollen, aber eben immer noch oft erwarten, dass er den grösseren Teil der Verantwortung als Familienernährer übernimmt.

Mein Eindruck: Die Arbeitsverteilung zwischen Mann und Frau bleibt nach der Geburt eines Kindes meist so, wie sie vorher schon war.

Darauf läuft es hinaus, ich würde es trotzdem anders formulieren. Die Paare, die es schaffen, die Arbeit egalitär zu verteilen, sind die, die sich auseinandersetzen. Und zwar vor der Geburt, nicht erst danach. Wenn das Kind da ist, schlagen die Gewohnheit und die Strukturen durch. Dann haben wir die 14 Wochen Mutterschaftsversicherung. Die Männer, die das Gefühl haben, sie müssten arbeiten, um die familiäre Sicherheit zu gewährleisten. Positiv gesagt: Die sensible Phase, was die Aufgabenverteilung angeht, ist rund um die Geburt. Wenn es dort gelingt, die Männer mitzunehmen, dann gelingt es auch langfristig.

Deswegen fordern Sie so nachdrücklich den Vaterschaftsurlaub.

Ausstellungshinweis

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«Men Care» – Ausstellung mit Fotografien von Johan Bävman im Berner Generationenhaus (30. Mai bis 29. Juli 2016).

Auch wenn es nur 20 Tage sind, es macht einen Unterschied. Die Kompetenzentwicklung ist extrem ungleichzeitig. Wenn die Mütter mal 14 Wochen Kompetenzvorsprung haben, ist der Mann abgemeldet. Dann sagt man: Du verdienst ein bisschen mehr, das ist doch praktisch. Wir haben nahezu identische Einkommensverläufe bis 30. Aber in der Karrierephase zwischen 30 und 40 geben die Männer Vollgas und die Frauen bleiben zuhause. Die Erwerbsschere geht auf zum Zeitpunkt Familiengründung. Und sie schliesst sich nicht mehr.

Echt wahr, dass Männer weniger in der Lage sind, Sorge zu sich zu tragen, wie Sie im Begleittext zur Ausstellung in Bern schreiben?

Sorgsam umgehen mit sich und den eigenen Ressourcen ist nicht nur nicht Bestandteil des Männerbilds, sondern ein Anti-Bestandteil. Es ist unmännlich, die Grenzen nicht zu überschreiten. Oder Risiken nicht einzugehen. Oder sich selber zu pflegen.

Pediküre, aber bitte keinen Schritt weiter!

Auf der Ebene Äusserlichkeit kommt das langsam. Aber das hat noch wenig mit nachhaltigem Leben zu tun. Ganz banal: genügend Schlafen, sich onlinefreie Zeiten gönnen, Freundschaften pflegen. Etwas mit sich anzufangen wissen, auch ohne dass etwas «leisten» muss. Damit haben nach wie vor viele Männer Mühe. Die ganze «Men's Health»-Forschung belegt längst, dass Männer nicht weniger robust oder krankheitsanfälliger sind als die Frauen. Sie machen sich einfach schneller kaputt.

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