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Letzte Hoffnung Fremdenlegion Töten und Sterben für ein fremdes Land

Ins Rekrutierungszentrum der Fremdenlegion kommen Männer, die vom Leben enttäuscht wurden. Manche bleiben für ein paar Minuten, manche ein ganzes Leben.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Jährlich werben 1500 junge Männer bei der französischen Fremdenlegion an. Viele Anwärter befinden sich in einer Notsituation.
  • Um in die Legion einzutreten, müssen sie harte Tests bestehen. Sie sollen später als Soldaten die harten Einsätze an der Front übernehmen.
  • Wer angenommen wird, bekommt einen neuen Namen und verpflichtet sich, mindestens fünf Jahre lang in der Legion zu dienen.

Lesedauer: 8 Minuten

Im Osten von Paris geht die Sonne auf. Die Fremdenlegion ist in Fontenay-sous-bois im Fort de Nogent einquartiert – hinter einem Erdwall, der 200 Meter breit ist.

Drinnen herrschen organisierte Ruhe und Disziplin. Major Jean-Michel Houssin marschiert durch die Gänge, vorbei an strammstehenden Jünglingen. Sie alle sind Anwärter auf einen Platz in der Fremdenlegion.

Soldaten für die Front

«Wir suchen Kämpfer. Das ist unser Angebot. In der Fremdenlegion suchen wir keine Chauffeure oder Küchenchefs. Wir suchen Kämpfer, die in der ersten Linie stehen», erklärt der Verantwortliche für die Rekrutierung des Nachwuchses.

«Die Anwärter kommen aus der ganzen Welt. Auch mitten in der Nacht. Wir nehmen sie auf – eine Tradition der Legion. Manche bleiben nur ein paar Minuten, andere ihr ganzes Leben.»

Im Büro des Majors

In seinem dunklen Büro angekommen, sinkt Major Houssin in einen abgewetzten Bürostuhl. Hinter ihm weht ein Vorhang in den Farben der Fremdenlegion.

Édouard Elias: Die Bilder

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Legende: Edouard Elias

Der französische Fotojournalist Édouard Elias hat für seine Reportage «Patria Nostra» mehrere Wochen mit den Fremdenlegionären verbracht: Während der Ausbildung der Infanteristen in Nimes, und während ihres Einsatzes 2014 in Bambari, Zentralafrika.

Auf dem Tisch liegt das dunkelgrüne Béret. An der Wand ein Photo vom Tag, an dem Houssin als Legionär sein «Képi blanc» erhielt. Es ist das Markenzeichen der Legionäre.

Ein Franzose unter Fremden

Houssin ist vor 35 Jahren eingetreten. Ein Franzose in der Fremdenlegion. Es war damals die einzige Möglichkeit, Berufssoldat zu werden.

Er war Beamter der Staatsbahn, fand keinen Tritt im Leben, aber einen neuen Sinn in der Armee. «Es gibt so viele Gründe in die Fremdenlegion einzutreten, wie es Bewerber gibt. Manche haben Liebeskummer, sind enttäuscht von ihrem Leben, andere langweilen sich einfach nur, oder suchen das Abenteuer.»

Hoffnung auf die zweite Chance

Major Houssin nimmt drei Zettel vom Tisch: drei Beispiele von Bewerbern, die einen Platz in der Fremdenlegion suchen. «Ein ehemaliger Sportlehrer, ein Linienpilot, ein Bewerber ohne Berufsabschluss. Ein guter Querschnitt.»

Viele Legionäre suchen eine zweite Chance in ihrem Leben. «Wir sagen immer: Es sind die vom Leben Gezeichneten, vielleicht auch die vom Leben Enttäuschten, die zu uns kommen.»

Drei Bewerbungsrunden haben alle künftigen Legionäre zu überstehen, bis sie unter Vertrag genommen werden. Mindestens fünf Jahre müssen sie dann in der französischen Armee dienen.

Legionäre sind Soldaten am Boden, die sich die Hände schmutzig machen. Die Legionäre sind häufig dort, wo ihre Kollegen in der französischen Armee nicht hingehen wollen, also zuvorderst an der Front. «Wir geben allen die Chance, ihr altes Leben vergessen zu machen. Alle Kameraden in der Legion beginnen bei Null, mit einem neuen Namen. Ohne Vergangenheit.»

Eine Hose und ein Sweatshirt im Tausch für das zivile Leben

Genau das sucht auch Brahima. Er hat wie alle anderen Anwärter auf einen Platz in der Legion eine schwarze Turnhose und ein rotes Sweatshirt erhalten. Das ist noch keine Uniform, aber ein erster Schritt raus aus dem zivilen Leben.

Die französische Fremdenlegion

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Nach der Gründung der Fremdenlegion 1831 kamen die Söldner vorwiegend in den französischen Kolonien zum Einsatz. Heute ist die Legion 7700 Mann stark, es dienen Soldaten aus 150 Nationen. Sie müssen strenge Auswahlkriterien erfüllen und sich für fünf Jahre verpflichten. Schweizern ist der Dienst in der Legion verboten.

Er wurde in den letzten Tagen von einem Militärarzt untersucht. Brahima musste mindestens sechs Klimmzüge schaffen. Er hatte einen Computer-Test zu bestehen, um sein logisches Denken zu testen. All diese Tests hat Brahima bestanden.

Eine neue Identität

Jetzt folgt das entscheidende Bewerbungsgespräch mit einem Unteroffizier. Aber zuerst erhält Brahima seine neue Identität. Das ist obligatorisch.

Brahima stammt aus der Elfenbeinküste, ist eben 24 Jahre alt geworden. Vor 18 Monaten kam er nach Frankreich, illegal, ohne Pass. «Ich wollte in Frankreich eigentlich einen Schulabschluss machen. Weil ich illegal hier wohne, ist das nicht möglich. Dann sah ich ein Inserat der Fremdenlegion. Ich habe mich kundig gemacht. Nun bin ich hier.»

Der Kandidat im Verhör

Mit steifem Rücken sitzt Brahima auf seinem Hocker. Er ist angespannt. Immer wieder presst er die Hände zusammen. Konzentriert sich. Der Unteroffizier will wissen, ob Brahima zum ersten Mal Legionär werden will, ob er jemals Probleme mit der Justiz hatte.

Dann folgen Fragen zur Familie, wie und wo er in Frankreich untergekommen ist. Dann noch einmal die gleichen Fragen. Immer wieder.

Neue Freunde für Brahima

Brahimas Antworten sind plausibel. Man spürt, er fühlt sich seinem Ziel immer näher. Er beginnt von der Fremdenlegion zu träumen. «Ich suche die Herausforderung, will wissen, was es heisst, Kameraden zu haben. Die harte Ausbildung, die körperliche Anstrengung, der Teamgeist, das suche ich. Das habe ich bisher vermisst.»

Solche Worte wollen die Vorgesetzten hören. Brahima hat gut beobachtet und schnell gelernt. Der Unteroffizier hinter seinem Computer kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Erinnerungen werden wach. Vor fast 20 Jahren stand er vor der gleichen Herausforderung.

Die letzte Frage

«Wir sind alle gleich», erinnert sich der Unteroffizier: «Die Fremdenlegion; davon haben wir alle geträumt. 18 Jahre alt war ich damals. Die Legion war immer mein Ziel.» Ein letztes Mal muss Brahima mehrere Dokumente unterschreiben. Nun wird er aufgefordert, alle seine persönlichen Gegenstände abzugeben.

Eine letzte Frage des Unteroffiziers. Ob Brahima wirklich alles abgegeben habe? «Nein», so die Antwort, er habe ein Buch bei sich behalten. «Welches Buch?» Es heisse «Wie ich neue Freunde finde», erklärt Brahima. «Nichts einzuwenden», meint der Vorgesetzte und lehnt sich entspannt zurück.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 12. Juni 2017, 9:02 Uhr.

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