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Ausstellung Der Zeitgeist in der Tragtasche

Gut für die Umwelt sind sie nicht. Trotzdem waren billige Plastiktragtaschen lange sehr beliebt. Bei Kunden als Gebrauchsgegenstand auf Zeit. Bei Händlern als Werbeträger. Eine Ausstellung in Neuenburg zeigt, was Schweizer Wegwerftaschen über Zeitgeschmack und den Wandel der Gesellschaft aussagen.

Das wichtigste in Kürze

  • Eine Ausstellung in Neuenburg zeigt, wie die Gestaltung von Schweizer Tragtaschen sich entwickelt hat: von grau in den 1960er-Jahren zu grellbunt in den 1980er-Jahren.
  • Heute müssen die Tragtaschen wegen der internationalen Kundschaft der Marken schlicht und weltweit verständlich sein.
  • Die Ausstellung macht klar: Den Preis für die billigen Taschen aus Plastik bezahlt die Umwelt.

Plastik, Papier und Jute

Die Plastiktragtasche ist alles andere als eine Nebensache. Sie erzählt eine Menge über Werbe- und Wirtschaftsstrategien, über Zeitgeschmack und Konsumgewohnheiten.

Die Ausstellung

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«Prêt à Porter ?!» kann noch bis zum 12. März 2017 im Neuenburger Musée d'art et d'histoire (MAHN) besichtigt werden.

In den 1970er-Jahren war die Wegwerftragtasche etwa so schick, dass Migros Schweizer Kunstschaffende einlud, Tüten zu gestalten. In den 1980er-Jahren konnte man sich mit «Jute statt Plastik» als Einkäufer mit konsumkritischer Gesinnung outen.

Die Ausstellung «Prêt à Porter?!» im Musée d'art et d'histoire in Neuenburg erzählt in einer umfangreichen und liebevoll gestalteten Schau die Geschichte der Plastik- und Papiertragtaschen nach.

Der Rundgang beginnt mit einem historischen Rückblick auf die ersten Wegwerftaschen beginnt und endet mit der Suche nach Alternativen zur umweltschädlichen Plastiktaschenflut. Und zeigt, wie viel Zeitgeist in den scheinbar nebensächlichen Taschen und Tüten steckt.

Die graue Maus als Publikumsliebling

In den 1960er-Jahren, als man noch voller Unschuld an Zukunft und Technik glaubte, erblickte die Plastiktüte das Licht der Warenwelt. Sie wurde sofort ein Riesenerfolg – obwohl sie zu Beginn sehr unansehnlich war. Die ersten Plastiksäcke waren grau. Nach und nach wurden sie mit einfarbigen Blumenmustern bedruckt.

Erst in den 1970er-Jahren wurden die Beutel vielfarbig bunt und mit den Logos von Händlern und Herstellern bedruckt. In den 1980er-Jahren wurde es technisch möglich, Plastiktragtaschen mit hochauflösenden Farbfotos zu bedrucken. Dem Gestaltungswillen waren fortan keine Grenzen mehr gesetzt. Die Plastiktüte war nicht nur populärer Werbeträger, sondern auch Spielwiese für gestalterische Ideen.

Von Rascheltüte bis zur Hochglanztasche

Die Ausstellung im Musée d'art et d'histoire in Neuenburg gibt Einblicke in diese üppig bunte Welt der Plastiksäcke. Kurator Christian Hörack hat sie aus zwei umfangreichen Sammlungen mit Schweizer Tragtaschen aus Papier und Plastik zusammengestellt.

Kurator Christian Hörack vor einer Wand mit Plastiktüten.
Legende: Global heisst schlicht: Kurator Christian Hörack. MAHN

Kleine, einfarbige Rascheltüten sind ebenso zu sehen wie grosse, glänzende Taschen mit verstärkten Griffen. Es gibt Tüten, Taschen, Säcke in allen Farben und Formen. Der Schwerpunkt der Schau liegt klar auf der grafischen Gestaltung der Einkaufstaschen und deren Entwicklung.

Design im Zeichen der Globalisierung

Anhand einiger bekannter Unternehmen wie Coop, Migros oder Manor wird dargestellt, wie das Plastiktütendesign sich im Lauf der Jahrzehnte verändert hat: von den schüchternen Gestaltungsversuchen der frühen Jahre über die grellbunten Designs der 1980er-Jahre bis zu den zurückhaltend gestalteten Taschen der Gegenwart. Denn die wilden Zeiten, in denen Plastiksäcke mit Waren-Stillleben oder Weihnachtsengelchen bedruckt waren, sind heute vorbei.

Kurator Christian Hörack geht davon aus, dass der neue, minimalistische Stil im Einkaufstaschen-Design mit der Internationalisierung der Wirtschaft zusammenhängt. «Schlichte Hersteller-Logos werden weltweit verstanden, in Dubai ebenso wie in Neuenburg», sagt er.

Ein Meer aus Rascheltüten

Im Fokus der Schau steht das wechselnde Design der Tragtaschen. Die Umweltschädlichkeit der Plastiktaschen wird bloss kurz, aber prägnant thematisiert. In einem der letzten Säle führt ein Steg führt über ein Meer von Plastiktüten. Kurze Wandtexte informieren über die Öko-Last, die durch die Plastiktüten entsteht.

Auf die aktuelle Diskussion um die Raschelsäckli, die an den Kassen von Migros und Coop seit kurzem nicht mehr gratis abgegeben werden, weil die Unternehmen so ihr Umweltbewusstsein dokumentieren wollen, geht die Schau nicht ein. Viele Besucherinnen und Besucher werden sie mitdenken und so entdecken: In Plastiktragtaschen steckt noch immer viel Diskussionsstoff.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 6.12.16, 16:50 Uhr

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