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Kunstschatz im Keller Die sagenumwobene Kunstsammlung aus Teheran

Ein milliardenschwerer Schatz im Giftschrank – so lautet einer der Mythen um die Sammlung des Teheraner Museums für zeitgenössische Kunst. Doch ihre berühmten Werke wurden immer wieder international verliehen – und sind jetzt sogar in Teheran zu sehen.

  • Das Tehran Museum of Contemporary Artin besitzt eine sagenumwobene Sammlung westlicher Kunst – mit Werken von Andy Warhol, Jackson Pollock oder Francis Bacon.
  • Die Kunstwerke schlummerten aber nicht 40 Jahre im Giftschrank. 2005 wurden sie in Teheran ausgestellt und einige Gemälde immer wieder verliehen.
  • Einige der berühmten Exponate sollten in der Berliner Nationalgalerie zu sehen sein. Doch auch nach zähen Verhandlungen gab es keine Ausfuhrgenehmigung für die Kunstwerke. Die Ausstellung wurde abgesagt.
  • Die Ausstellung hätte einen Blick eröffnet auf die Kunstszene im aufstrebenden Iran der 1960er und 1970er Jahre und den Dialog iranischer Künstler mit westlichen Einflüssen gezeigt.

Aus dem Nähkästchen

Vier Jahre lang rannte Kamran Diba dem Geld hinterher. Ministerium um Ministerium im Iran bettelte er an um Geld für den Traum seiner Cousine, der iranischen Kaiserin Farah Diba: die in den 1970er Jahren international aufstrebende und pulsierende Metropole Teheran sollte ein Museum für zeitgenössische Kunst bekommen. 1977 war es dann soweit und wurde mit einem rauschenden Fest gefeiert.

Das Tehran Museum of Contemporary Art bei seiner Eröffnung im Jahr 1977.
Legende: Das Teheran Museum of Contemporary Art bei seiner Eröffnung im Jahr 1977. Kamran Diba

Letzten Samstag plauderte der Architekt und erste Direktor des Teheran Museums of Modern Art (TMoCA) auf einer Konferenz in Berlin zu «Iran und die Kunst der Moderne» aus dem Nähkästchen – und auch darüber, warum er Werke von Andy Warhol, Jackson Pollock oder Francis Bacon nach Teheran brachte. «Damals, in der vorrevolutionären Ära, gab es einen enthusiastischen, neugieren Blick nach Westen», erzählte Kamran Diba, «es gab einen Hunger nach westlicher Musik und Kunst, nach westlichem Theater.»

40 Jahre im Giftschrank?

Das TMoCA sollte diesen Hunger stillen und Aufklärungsarbeit leisten. «Künstler wurden damals im Iran als eine besondere Art von Handwerkern wahrgenommen. Das TMoCA sollte ein Tempel sein, der der iranischen Öffentlichkeit zeigt, dass Kunst wertvoll ist, dass sie einen spirituellen Wert besitzt.» Doch der Plan ging nicht auf. 1978 wurde das Museum geschlossen, die heute sagenumwobene Teheraner Sammlung westlicher und iranischer Kunst landete im Kellerdepot des Museums.

Kamran Diba räumte auch gleich mit einigen der Mythen um die Teheran-Sammlung auf: Nein, die Kunstwerke schlummerten nicht 40 Jahre im Giftschrank. 2005 wurden sie in Teheran ausgestellt und einige Gemälde immer wieder verliehen. Auch durch Fälschungen wurden sie nicht ersetzt und auch nur eines verkauft.

Zur Ausstellung

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Die Ausstellung «Die Teheran Sammlung. Das Teheran Museum für Zeitgenössische Kunst in Berlin» sollte das Kunst-Spektakel des Jahres werden und wurde zum Politikum. Nun ist sie erst einmal im TMoCA zu sehen – eine Reaktion auf die Kritik, dass sie nicht denen gezeigt wird, denen die berühmte Sammlung gewidmet ist: der iranischen Öffentlichkeit.

Keine Ausfuhrgenehmigung

Nun sollten einige ihre berühmten Exponate eigentlich in der Berliner Nationalgalerie zu sehen sein und das Kunst-Spektakel des Jahres sein. Doch auch nach zähen Verhandlungen zwischen dem TMoCA, des Goethe-Instituts und der Berliner Stiftung Preussischer Kulturbesitz gab es keine Ausfuhrgenehmigung für die Kunstwerke. Die Ausstellung wurde im Dezember vergangenen Jahres abgesagt.

Doch was wäre zu sehen gewesen? Welche Perspektive auf die zeitgenössische Kunst hätte der vom ehemaligen deutschen Aussenminister Walter Steinmeier eingefädelte Coup bieten können?

Streifzug über die Basare – eine iranische Pop-Art

Die Berliner Konferenz setzte ihren Fokus deshalb auf die Kunst der iranischen Künstler, die zusammen mit den Kunstwerken der westlichen Moderne gezeigt werden sollten. Die Ausstellung hätte einen Blick eröffnet auf die Kunstszene im aufstrebenden Iran der 1960er und 1970er Jahre.

Sie hätte den Dialog iranischer Künstler mit westlichen Einflüssen, die Suche nach ihrer eigenen Formsprache gezeigt – sagt die Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Feresteh Daftari. «Viele namhafte Künstler der damaligen Zeit hatten in Europa studiert und kämpften dennoch gegen den übermächtigen Einfluss westlicher Ideen.»

Im Spannungsverhältnis zu westlicher Kunst

Anfang der 1960er Jahre formierte sich deshalb die Saqqakhane-Bewegung, eine Gruppe von Künstlern, die in der lokalen, visuellen Kultur Irans nach ihrem Material suchte. «Sie streiften durch die Basare der Vorstädte, suchten nach populären Symbolen und entwickelten im Spannungsverhältnis zu westlicher Kunst ihre Version einer Pop-Art», sagt Feresteh Daftari. Statt Campell-Dosen wurden religiöse Symbole verarbeitet.

Kultur aus dem Iran

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Das oscarprämierte Familiendrama «Forushande» überzeugt mit starken Figuren und einer modernen Perspektive auf den Iran.

Der Sohn des iranischen Regisseurs Abbas Kiarostami erklärt, warum in schwierigem Umfeld oft gute Kunst entsteht.

Der Dokumentarfilm «Raving Iran» begleitet zwei iranische DJs bei ihrem vergeblichen Kampf gegen das Regime.

Das ist vielleicht eine der interessantesten Perspektive, die die geplatzte Berliner Ausstellung der Teheran-Sammlung geboten hätte. Allerdings könnte die blosse Gegenüberstellung der Werke Polocks, Wahols oder Bacons mit denen der iranischen Avantgarde – wie es in Berlin geplant war – den Blick auch trüben, argumentiert die Kunsthistorikerin Sussan Babaie.

Die Zeichen stehen gut

«Der naheliegende Vergleich der iranischen Kunst mit westlichen Strömungen der Zeit zeigt immer nur die Gemeinsamkeiten und Unterschiede.» Doch wichtiger wäre die Frage danach, wo zeitgenössische iranische Kunst in der eigenen Geschichte zu verorten ist. «Wir sollten sie nicht losgelöst etwa von den Traditionen iranischer Kunst des 19. Jahrhunderts sehen. Nicht gleiche Motive, sondern eine besondere Sensibilität für Texturen, für das Licht ist ein gemeinsames Element, dass in Werken von damals bis heute zu finden ist. Das ist sehr iranisch.»

Ein Raum mit Exponaten der Berliner Sammlung islamischer Kunst könnte diese Leerstelle füllen, ist sich Sussan Babaie sicher. Allerdings muss erst einmal über die Zukunft der Ausstellung in Berlin verhandelt werden. Und derzeit stehen die Zeichen gut. Seit vergangener Woche ist sie an ihrem Ursprungsort zu sehen: im Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst.

Sendung: Kultur Kompakt, SRF 2 Kultur, 13.3.2017, 12.03 Uhr

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