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Künstler Tomás Saraceno Schwebend in eine bessere Zukunft

Utopist und Visionär: Der Argentinier Tomás Saraceno lässt Wissenschaft und Kunst verschmelzen. Das Museum Haus Konstruktiv widmet ihm eine Ausstellung.

SRF: Sind Sie nicht eher ein Forscher als ein Künstler?

Tomás Saraceno: Nein, das sehe ich nicht so. Bei mir kommt vor dem Messen immer zuerst das Fühlen, das Spüren. Wie präsentiert sich dieser Raum? Wie wirkt die Temperatur? Wie reagieren die Besucher? All das interessiert mich.

Zur Person

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Legende: Keystone

Der argentinische Künstler Tomás Saraceno (geb. 1973) ist im Zürcher Museum Haus Konstruktiv erstmals mit einer grossen Einzelausstellung in der Schweiz zu sehen. Saraceno ist diplomierter Architekt und lebt in Berlin, wo er in seinem Studio mit 40 Mitarbeitern aus unterschiedlichen Disziplinen an nachhaltigen Lösungen für die Zukunft forscht.

Sie beschäftigen sich aber sehr intensiv mit naturwissenschaftlichen Fragen.

Ja. Der Klimawandel ist ein derart drängendes Problem, dass es schlicht nicht zielführend ist, die Disziplinen der Kunst und der Wissenschaft zu trennen. Es braucht beide. Die Zusammenarbeit ist wichtig, damit ein Wandel möglich wird.

Worin besteht Ihr Beitrag?

Ich will zeigen, dass es zahlreiche Varianten von Ressourcen gibt. Wir sind heute extrem abhängig von fossilen Brennstoffen. All diese luftgefüllten Skulpturen in der Ausstellung bewegen sich aber nur mithilfe von Wärme. Für mich ist das eine sehr einfache Art, etwas darüber zu erfahren, wie wir uns in der Luft bewegen könnten.

Haben Sie deshalb das neue Zeitalter der Luft, das Aerozän, wie Sie es nennen, ausgerufen?

Genau. Das Aerozän soll das heutige Anthropozän, das Zeitalter mit dem Menschen im Zentrum, ablösen. Wir hinterlassen riesige ökologische Fussabdrücke. Wir zerstören damit möglicherweise unsere langfristigen Grundlagen, auf diesem Planeten zu leben. Für uns und für andere Lebewesen.

Eine Art Ballon in der Luft.
Legende: Die Zukunft liegt für Tomás Saraceno in der Luft. (Eclipse of Aerocene Explorer, 2016, Salar de Uyuni, Bolivien) Studio Tomás Saraceno, 2016

Wie sieht denn ihre Lösung aus?

Wir haben Versuche gemacht in der Wüste von White Sands in New Mexico. Dabei stellten wir 2015 einen Weltrekord auf. Es gelang, Menschen zwei Stunden über dem Boden schweben zu lassen. Ohne Sonnenkollektor, ohne Brenner, ohne Batterien. Nur durch die Wärme der Sonne und die Strahlung der Erdoberfläche. Das war ein magischer Moment.

Ein Mann, mithilfe eines riesen Ballons schwebt.
Legende: Spektakulär: Schweben in der Wüste von White Sand (Aerocene, 2015) Foto: Studio Tomás Saraceno, 2015

Sehen Sie schon in naher Zeit eine Möglichkeit, dass Flugzeuge ersetzt würden?

Es geht nicht primär um unser Fortbewegen, um das Reisen. Sondern um eine Spekulation, wie wir in Zukunft auf unseren Planeten leben könnten: nämlich nicht nur horizontal auf der Oberfläche, sondern auch in der dritten Dimension, im Raum. Auf schwebenden Wolkenstädten beispielsweise.

Ein Spinnennetz in der Luft.
Legende: Pläne Spinnen: Arachno Concert, With Arachne (Nephila senegalensis), Cosmic Dust and the Breathing Ensemble, 2016. Foto: Studio Tomás Saraceno, 2016

Das hört sich alles recht utopisch an.

Mag sein. Aber wir wissen heute viel besser Bescheid über das Treiben im Wasser als über das Schweben in der Luft.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Aerosolar Journeys» findet vom 1. Juni bis zum 3. September im Museum Haus Konstruktiv in Zürich statt.

Dabei gibt es dort enormes Potential. Wir sollten eine neue Ethik entwickeln, wie wir mit der Atmosphäre umgehen. Das Aerozän soll eine Art Wiedergutmachung an unserer Erde sein. Ohne unseren zerstörerischen Fussabdruck. Das könnte ein wirklich grosser Schritt für die Menschheit werden.

Das Gespräch führte Richard Herold.

Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 07.06.2017, 22:25 Uhr.

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