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Kunst Streetart zwischen Kunst und Kommerz

Was einst als Vandalismus galt, wird heute teuer vermarktet: Streetart hat sich in den letzten Jahren im internationalen Kunstmarkt fest etabliert. Dies stellt die Künstler der Strasse vor eine neue Herausforderung: Wie umgehen mit der Gratwanderung zwischen Erfolg und Ausverkauf?

Kaum ein Monat im Jahr bietet so viele Kunst-Highlights wie der Juni. Zwei der wichtigsten Kunstveranstaltungen öffneten in den letzten Tagen dem kunstbegierigen Publikum ihre Pforten: die 55. Venedig Biennale und die 44. Art Basel. Ein guter Anlass, um die neusten Trends auf dem Kunstmarkt unter die Lupe zu nehmen. Dabei fällt auf: Immer mehr Streetart-Künstlern gelingt der Sprung in den elitären Kunstkreis. Woran liegt das?

Die Stadt als Ausstellungsraum

Als Streetart in den 1960ern mit dem Franzosen Gérard Zlotykamien ihren Anfang nahm, war ihre Erfolgsgeschichte nicht absehbar. Illegal und meist in Nacht- und Nebelaktionen durchgeführt, war das Anliegen der Streetartkünstler politischer oder gesellschaftskritischer Natur. Die Streetart wurde zum künstlerischen Medium gegen den Konsumismus und die Öffentliche Ordnung. Als Ausstellungsfläche diente die Strasse: grösser als jeder andere Ausstellungsraum und obendrein unabhängig von tonangebenden Galeristen und Kunstexperten.

Aus dieser ursprünglichen Anti-Haltung gegenüber dem kommerziell orientierten Kunstmarkt wurde mittlerweile eine Symbiose der Gegensätze. Immer mehr Streetartkünstler sind auf der Suche nach klassischen Ausstellungsmöglichkeiten, sozusagen von der Strasse hinein in den White Cube.

Bigger, Better, Banksy

Einer der wohl bekanntesten Streetartkünstler ist Banksy. Das britische Streetart-Phantom, über dessen wahre Identität nur wenig bekannt ist, hat mit seinen Schablonengraffiti ab den 1990er Jahren neue Massstäbe gesetzt. Mittlerweile aber haben die Rekordpreise seiner von den Wänden abgekratzten Graffitis bei namhaften Auktionshäusern auch unter Fans die Gemüter erhitzt.

Erfolg oder Ausverkauf? Schon längst ist aus dem einstigen «Enfant terrible» eine Marke geworden, eine Ikone der Strassenkunst mit guten Verbindungen auf dem Kunstmarkt. Galeristen und Sammler haben begriffen, dass sich mit dieser Form der illegalen Kunst hübsche Summen verdienen lassen. Die Streetart wurde zum Hype – ein Trend, der noch lange nicht vorbei zu sein scheint.

Die Frage stellt sich: Sind die Streetartkünstler Opfer dieser Vereinnahmung oder tragen sie selbst einen entscheidenden Teil dazu bei?

Balance zwischen Markt und Kunst

Der 1976 in Südafrika geborene Streetart-Aktionskünstler Robin Rhode zeigt, wie der Balanceakt zwischen Kunstmarkt und künstlerischer Freiheit gelingen kann. Rhode verstand schon früh, dass Galerien und Museen eine gute Plattform sind, um seine Werke einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren ohne dabei den eigenen Anspruch an die Kunst zu verlieren. Seit 2004 präsentiert er seine Werke in Einzel- und Gruppenausstellungen auf der ganzen Welt. Seine Arbeiten tragen oft autobiografische Züge und befassen sich mit Themen wie Apartheid, Gewalt und Rassismus.

In Rhodes Arbeiten gibt er Szenarien vor, die er mit Kohlestift an einer Wand oder am Boden vorskizziert. Diese zweidimensionale Vorinstallation wird mit einer Performance erweitert und mithilfe von Fotografien festgehalten. Eben diese Fotografien werden in Galerien und Museen weltweit ausgestellt. Sie zeigen die vielseitigen Möglichkeiten der Strassenkunst, fernab von verschmierten Häuserwänden und besprayten Zugwagons.

Künstlerische Unabhängigkeit

Die Kommerzialisierung ist also längst Teil der Streetart geworden. Kaum ein Künstler kann es sich noch leisten, sich der monetär-getriebenen Kunstbranche zu entziehen – es sei denn, dass Geld nebensächlich ist. Wie etwa für die Schweizer Streetart-Künstlerin Maja Hürst, besser bekannt als TIKA. Seit 2006 reist sie erfolgreich mit ihrer vielseitigen Kunst um den Globus, scheut aber deren Vermarktung.

Für ihre Kunst bedient sie sich volkstümlicher Motive, bevorzugt aus der südamerikanischen und ägyptischen Kultur. Im Rahmen von Festivals oder selbst organisierten Aktionen bemalt sie Wände und Häuserfassaden.

Über sich selbst sagt TIKA, sie sei reicher als so mancher Mensch mit einem grossen Bankkonto. Ihr persönlicher Reichtum zeichne sich durch ihre vielen Reisen aus, auf denen sie ihre Kunst mit anderen teilen und Dinge sehen kann, die viele andere nicht sehen können. Ein Luxus, der mit Geld nicht aufzuwiegen sei. Damit bleibt TIKA in ihrer künstlerischen Arbeit unabhängig und lebt ihren ganz persönlichen Traum als internationale urbane Künstlerin.

Video
Maja Hürst in Bangkok (Juni 2013)
Aus Kultur Extras vom 06.06.2013.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 24 Sekunden.

Glaubwürdigkeit erhalten, Ausverkauf vermeiden

Mit dieser Haltung ist die Künstlerin TIKA eine Ausnahme. War Streetart ursprünglich als nichtkommerzielle Kunst im öffentlichen Raum gedacht, finden sich heute nur noch wenige Künstler, die diesem Prinzip treu geblieben sind oder sich dieses Prinzip leisten können.

Aber schon der griechische Philosoph Aristoteles wusste um die Macht der Kunst und schrieb im 4. Jahrhundert vor Christus: «Die Regeln der Kunst erhalten ihr Ansehen durch ihre unmittelbar wahrgenommene Zweckmässigkeit.» Welche Kunst könnte dieser Vorstellung eher entsprechen als die Streetart.

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