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Umstrittene Forschung Gott spielen ist doch nicht so einfach

Die Malaria-Überträgermücken ausrotten? Eine neue gentechnische Methode soll das ermöglichen – und weckt gleichzeitig heftige Kritik: dürfen wir Menschen zielgerichtet eine ganze Art ausrotten?

  • Die Gene Drive-Technik weckt grosse Hoffnungen: dank ihr sollen möglicherweise Malaria, Dengue-Fieber und andere Infektionskrankheiten endgültig besiegt werden.
  • Ein Gene Drive besteht aus Genen, die sich sehr schnell im Erbgut einer Spezies ausbreiten – so zum Beispiel ein Unfruchtbarkeitsgen im Erbgut von Mücken.
  • Erste Resultate aus Labor-Versuchen fallen eher ernüchternd aus – Ethiker und Biologinnen warnen dennoch eindringlich vor einem unbedachten Umgang mit der Gene Drive-Technik.

Malaria besiegen, Schädlinge wie den Maiszünsler ausrotten, die Rattenplagen auf den Galapagos-Inseln endgültig beenden – all diese Hoffnungen weckt eine neue gentechnische Methode namens Gene Drive. «Das Prinzip der Gene Drive-Technik ist nicht neu», sagt der Malaria-Forscher und Genetiker Nikolai Windbichler vom Imperial College in London. «Aber erst seit wenigen Jahren haben wir auch die genetischen Instrumente, um Gene Drives gezielt einzusetzen.»

Die Vererbung überspringen

Ein Gene Drive ist ein kurzes Stück DNA, das Genetiker an eine bestimmte Stelle im Erbgut eines Tieres einfügen können. Das Besondere an diesen Gene Drive-Konstrukten ist es, dass sie sich selber an andere Stellen ins Erbgut hineinkopieren – «wir nennen Gene Drives darum auch egoistische Gene», so Nikolai Windbichler. So schafft es ein Gene Drive, seine Gene viel schneller innerhalb des Erbguts zu verbreiten, als durch gewöhnliche Vererbung - und somit auch seine Wirkung.

Vor knapp zwei Jahren fügte Nikolai Windbichler in einem Gene Drive-Experiment ein Unfruchtbarkeitsgen ins Erbgut der Mückenart Anopheles gambiae, einer der wichtigsten Überträgermücken für Malaria – und beobachtete, wie schnell die weiblichen Mücken daraufhin unfruchtbar wurden. Die Resultate aus diesem Experiment liessen ihn hoffen, dass sich die Mücke innert weniger Generationen mit Hilfe eines Gene Drives nahezu ausrotten liesse.

Nach dem Hype die Ernüchterung

Mittlerweile wurden die hohen Erwartungen an die neue gentechnische Methode etwas gedämpft. Der Entwicklungsbiologe Ernst Wimmer von der Universität Göttingen hat das Unfruchtbarkeits-Experiment wiederholt, aber mit einer Fliegenart.

Und siehe da: er fand viel weniger unfruchtbare Fliegenweibchen als erwartet. Der Gene Drive wirkte weitaus weniger mächtig als erwartet. «Ich bin drum wissenschaftlich ein grosser Skeptiker des Gene Drive geworden», sagt Ernst Wimmer. «Der Hype um die neue Technik scheint mir deutlich grösser als ihr aktueller Nutzen.»

Ernst Wimmer forscht an Methoden, wie Schädlinge für Nutzpflanzen bekämpft werden können. Auch in diesem Bereich hatte die Gene Drive-Technik grosse Hoffnungen geweckt. Doch der Göttinger Forscher relativiert: «Gerade in der Landwirtschaft sind die Menschen sehr skeptisch gegenüber jeglicher Art von Gentechnik. Selbst wenn die Gene Drive-Methode sehr erfolgreich wäre, hätten wir grosse Mühe, sie in Freilandversuchen auszuprobieren.»

Mit Gentechnik gegen Rattenplagen

Intensiv über die Möglichkeiten von Gene Drives diskutiert wird derzeit in Australien und Neuseeland: «Eingeschleppte Tierarten und Krankheiten bedrohen die einheimischen Ökosysteme vor allem auf Inseln teils massiv», sagt der Ökologe Gernot Segelbacher von der Universität Freiburg. Seit Jahren versuchen Behörden und Artenschützer, die europäischen Hasen in Australien oder die Ratten auf Neuseeland auszurotten – da käme ihnen die Gene Drive-Technik gerade recht.

Doch da gibt es noch zahlreiche offene Fragen, sagt Gernot Segelbacher. «Bevor die ersten Freilandversuche stattfinden, müssen wir unbedingt genauer über diese Technik Bescheid wissen. Wohin breiten sich die manipulierten Tiere überall hin aus? Und kann die genetische Veränderung nicht auch auf andere Arten übertragen werden?»

So haben führende australische Forscherinnen und Forscher zur Diskussion aufgerufen. Und selbst die Erfinder der Gene Drive-Techniker warnen davor, die Methode unüberlegt einzusetzen. Denn einmal in Gang gesetzt, könnte ein Gene Drive-Experiment wohl kaum mehr rückgängig gemacht werden.

Kampf gegen die Malaria

Wo weiterhin am aktivsten an der Gene Drive-Technik geforscht wird, ist in der Malaria-Bekämpfung. So stehen derzeit in Italien mehrere grosse Sicherheitskäfige im Freien. Darin schwirren Tausende von Gene Drive-manipulierten Anopheles gambiae-Mücken herum, eine der wichtigsten Arten für die Übertragung von Malaria. Genetiker und Biologinnen untersuchen in diesen Käfigen, ob sich die Gene Drive-manipulierten Mücken auch unter nahezu natürlichen Bedingungen normal entwickeln und vermehren.

Denn nach wie vor sterben jährlich mehrere Hunderttausend Menschen an der Infektionskrankheit. Diese hohe Anzahl an Opfern rechtfertigt es in den Augen nahezu aller Forscher, dass die übertragenden Mückenarten ausgerottet werden sollen. Auch wenn das allein durch die Gene Drive-Technik nicht gelingen sollte, so hoffen die Mediziner dennoch auf ein weiteres Instrument im Kampf gegen die Infektionskrankheit Malaria.

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