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Glarus und Region Die spinnen die Glarner – zumindest früher

Noch heute zeugen grosse Textilfabriken im Kanton Glarus vom einstigen Wirtschaftswunder. Als Vorreiter der Industrialisierung ging der Kanton in die Geschichtsschreibung ein. Doch bald folgte der wirtschaftliche Abschwung und mit ihm eine Auswanderungswelle.

Der Schlüssel zum Erfolg: Vor 200 Jahren hoch in Mode, fand das orientalische Textilmuster aus Glarus reissenden Absatz.
Legende: Der Schlüssel zum Erfolg: Vor 200 Jahren hoch in Mode, fand das orientalische Textilmuster aus Glarus reissenden Absatz. Fabrikladen Julia Weideli

Berühmt geworden sind die Glarner mit dem Spinnen, Weben und Bedrucken von Baumwolle und Seide. Vor rund zweihundert Jahren kam es im Kanton zu einer rasanten Entwicklung, welche im «Glarner Wirtschaftswunder» gipfelte. Das «Glarner-Tüechli» ziert ein orientalisches Muster, welches die ersten Industriellen aus dem weit entfernten Orient übernommen haben. Glück und Leid hingen im Glarnerland lange Zeit fast ausschliesslich von der Textilbranche ab.

Industrieller Vorreiter

Begonnen hat alles mit dem Bau einer Textildruckerei 1740 in Glarus. Bis es allerdings zum Durchbruch der Industrie kam, sollten nochmals fast hundert Jahre vergehen. Maschinen verdrängten damals die Handarbeit und so verloren viele Glarner in einer ersten Phase der Industrialisierung ihre Haupteinnahmequelle: Die Heimarbeit mit dem Weben von Stoffen und Spinnen von Garnen zu Hause.

Stattdessen wurden Angestellte für Fabriken gesucht. Doch die schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken führten dazu, dass viele Heimarbeiter nicht bereit waren, ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Bereits damals arbeitete nur noch jede vierte Person im Glarnerland in der Landwirtschaft. Damit gehörte der Kanton europaweit zu den am stärksten industrialisierten Gebieten.

Schlechte Bedingungen drängen zur Auswanderung

Zur selben Zeit wurde ein Grossteil der Kartoffelernte im Glarnerland durch einen Pilz verseucht. Zusätzlich zur wirtschaftlich schwierigen Situation kam eine Hungersnot und viele Familien gerieten in existenzielle Nöte. Die arbeitslose und hungernde Bevölkerung wurde nicht selten zur Entlastung der Gemeindekasse zur Auswanderung gedrängt. Nicht die Abenteuerlust, sondern schwierige Lebensumstände bewogen jeden zwölften Glarner, Mitte des 19. Jahrhunderts auszuwandern.

Noch heute sind Spuren der Glarner Auswanderer in ihrer neuen Heimat zu finden. So wurde zum Beispiel die Ortschaft «New Glarus» im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin von Glarner Auswanderern gegründet. Mit dem Slogan «America's little Switzerland» versuchen die Glarner Nachkommen dort Touristen anzulocken.

Solidarität nach Jahrhundert-Brand

Für die Daheimgebliebenen waren die nächsten Jahre zuerst vom wirtschaftlichen Aufschwung geprägt. Doch dieser fand 1861 mit dem «Brand von Glarus» ein jähes Ende. Jeder zweite Einwohner der Kantonshauptstadt verlor in der Brandnacht sein Dach über dem Kopf. Innert kurzer Zeit wurde Glarus jedoch wieder aufgebaut. Ein Grossteil des Geldes für den Wiederaufbau stammte aus der Textilindustrie, die in den kommenden Jahren ihre Blütezeit erleben sollte.

Video
Brand von Glarus
Aus Schweiz aktuell vom 10.05.2011.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 47 Sekunden.

Mit der Hochkonjunktur kamen auch erstmals ausländische Migranten nach Glarus. Innerhalb eines Jahrzehnts verdreifachte sich die Zahl der Ausländer im Kanton, wobei die meisten der Zuzüger aus Österreich und Deutschland stammten. Ab 1880 zogen vermehrt Italiener nach Glarus – zur Jahrhundertwende wuchs die italienische Gemeinde im Kanton sogar zur grössten Migrationsgruppe an.

Nischenprodukte als Zeitzeugen

Die Einwanderung aus Italien erfolgte zu einem Zeitpunkt, der als Ende des «Glarner Wirtschaftswunders» in die Geschichte einging. Innerhalb von nur dreissig Jahren – zwischen 1870 und 1900 – sollte nur noch ein Drittel der Angestellten in der Textil-Druckbranche beschäftigt werden können. Die Stoffe wurden in Glarus noch von Hand oder mit Modellen bedruckt. Mit der maschinellen Bedruckung im Ausland konnte nicht mitgehalten werden. So wurden die Glarner Produktionsstätten plötzlich unrentabel.

Während 1870 noch vier von fünf Glarner für die Textilindustrie arbeiteten, waren es zu Beginn des zweiten Weltkrieges gerade noch die Hälfte. Die Druckbranche sollte sich von ihrem Niedergang bis zum heutigen Tag nicht erholen können. Von den einst dutzenden Fabriken sind heute gerade noch zwei Webereien und eine Stoffdruckerei in Betrieb. Auch wenn sich diese bisher im internationalen Markt mit Nischenprodukten behaupten konnten, ist ihre Zukunft ungewiss.

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