Heute ist es verboten, einen künstlich gezeugten Embryo im Labor auf Krankheiten zu untersuchen. Ist der Embryo einer Frau hingegen bereits eingepflanzt, sind entsprechende Tests möglich. Die Vorlage zur Präimplantationsdiagnostik (PID) will das ändern. Sie sieht vor, dass in Zukunft auch Embryos auf Krankheiten untersucht werden – bei einem negativen Resultat entscheiden die Eltern, was sie tun wollen.
Doch wie die erste SRG-Umfrage zeigt, ist ein Ja zur Vorlage alles andere als sicher. Wäre bereits Ende April über die PID abgestimmt worden, so wäre die Verfassungsänderung abgelehnt worden: 44 Prozent der Befragten sprachen sich gegen oder eher gegen die Vorlage aus; 40 Prozent dafür oder eher dafür.
Gleichzeitig hatten 16 Prozent der Umfrageteilnehmer keine Meinung zum Thema. Und auch von den Befragten waren sich insgesamt nur 46 Prozent sicher, dass sie Ja oder Nein stimmen würden. Das deutet darauf hin, dass sich viele Stimmbürger noch keine abschliessende Meinung zum Thema gemacht haben. «Der Ausgang der Abstimmung ist völlig offen», sagt denn auch Politikwissenschaftlerin Martina Imfeld vom Forschungsinstitut gfs.bern, das die Umfrage durchgeführt hat. Für eine Behördenvorlage sei die Zustimmung aber eher tief.
Traditionell gegen modern
Politisch gesehen, verläuft die Bruchlinie zwischen Wählern mit traditionellen und solchen mit modernen Werten. Das zeigt sich einerseits am Stadt-Land-Graben – auf dem Land sind die Befragten zu 56 Prozent gegen die Vorlage, in der Stadt zu 49 Prozent dafür – aber auch bei der Stimmabsicht nach Parteien.
So wollen die meisten SVP- und CVP-Wähler ein Nein einlegen, während Anhänger der Grünen, SP und FDP zu einem Ja tendieren. Bei jenen, die keiner Partei nahe stehen, spricht sich rund die Hälfte für, die andere Hälfte gegen die Verfassungsänderung aus.
Kampagne ist entscheidend
Gerade weil die Meinungen noch nicht gemacht sind, kommt dem Abstimmungskampf eine wichtige Rolle zu. «Die Kampagne ist der Hebel, der entscheidet, auf welche Seite die Abstimmung kippt», sagt Imfeld. Bislang seien vor allem die Gegner der Vorlage zu hören gewesen. Die Politikwissenschaftlerin erwartet, dass im Laufe der nächsten Wochen die Befürworter stärker auftreten werden.
Ein entscheidender Faktor für die Abstimmung vom 14. Juni wird die Mobilisierung derjenigen Bürger sein, die den Behörden misstrauen. Im Normalfall verteilen sich die Unentschiedenen bei einer Behördenvorlage auf beide Seiten, sagt gfs.bern-Leiter Claude Longchamp. «Alle paar Jahre kommt es aber zu einer Protestabstimmung, bei der die Bürger gegen die Regierung stimmen.» Falls die Protestwähler in grossen Zahlen an die Urne strömten, sei also ein Nein zur Vorlage durchaus möglich.
Ganz unwahrscheinlich ist dieses Szenario nicht. Wie die Umfrage zeigt, mobilisiert die Vorlage vor allem diejenigen Bürger, die dem Staat misstrauen. Von ihnen gaben 52 Prozent an, dass sie «bestimmt» abstimmen werden. Unter denjenigen Bürgern, die den Behörden Vertrauen schenken, gehen lediglich 38 Prozent mit Sicherheit an die Urne.
Aus dem Bauch heraus
Doch entschieden ist noch nichts. Denn obwohl zum jetzigen Zeitpunkt eine knappe Mehrheit der Befragten die Vorlage ablehnen würde, überzeugen gleichzeitig die Argumente der Befürworter eher als die der Gegner.
So sind die meisten Befragten – auch die Gegner der Vorlage – einverstanden mit der Aussage, dass es mehr Sinn mache, bereits eine Eizelle auf Krankheiten zu untersuchen, statt später eine Abtreibung vorzunehmen. Auch der Aussage, dass die Schweiz die Präimplantationsdiagnostik erlauben solle, damit betroffene Paare nicht zur Behandlung ins Ausland müssen, stimmen die Befragten deutlich zu.
Dazu kommt, dass bei vergleichbaren Abstimmungen, beispielsweise zur Stammzellenforschung (2004) oder zum Schwangerschaftsabbruch (2002) ebenfalls ein Ja resultierte.