Pünktlich zur Eröffnungsfeier des neuen Gotthard-Tunnels tauschten die Nationalräte und Mitglieder der Verkehrskommission Edith Graf-Litscher (SP/TG) und Thierry Burkart (FDP/AG) ihre Meinungen zur Bedeutung des Ereignisses für die Verkehrspolitik aus.
Der Diskussionsbedarf bleibt auch nach Abschluss des Herzstücks der Neat bestehen. So stellt sich etwa die Frage, ob – wie gesetzlich vorgeschrieben – dank dem Basistunnel das Ziel einer Reduzierung des Güterschwerverkehrs auf jährlich höchstens 650'000 Fahrten per Ende 2018 erreicht wird.
Was versprechen Sie sich vom neuen Gotthard-Tunnel?
Edith Graf-Litscher (SP/TG)
Der längste Eisenbahntunnel der Welt soll den Volkswillen erfüllen: Güter durch die Alpen gehören auf die Schiene. Er schont die Menschen und die Umwelt und macht die Gotthardachse sicherer.
Thierry Burkart (FDP/AG)
Das Ziel der Neat ist in erster Linie die Verlagerung der Güter auf die Schiene für den alpenquerenden Verkehr. Dieses Ziel kann aber erst erreicht werden, wenn das Gesamtsystem Neat fertiggestellt ist. Dazu braucht es noch den Ceneri-Tunnel, den 4-Meter-Korridor und funktionierende Anschlüsse im Ausland. Und dennoch: Der Gotthard hat natürlich die grösste Bedeutung und verdient gefeiert zu werden.
Sind die gesetzlichen Ziele der Verlagerung nun erreichbar?
Edith Graf-Litscher (SP/TG)
Als Vizepräsidentin der Verkehrskommission ist es mir ein vordringliches Anliegen, dass das Verlagerungsziel erreicht wird. Der Tunnel hat die Kapazität für die Durchfahrt von 325 Zügen pro Tag. 80% davon sollen Güterzüge sein. Damit stehen mehr als genügend Kapazitäten zur Verfügung, um das gesetzlich festgelegte Verlagerungsziel von maximal 650'000 alpenquerenden Lastwagen pro Jahr einzuhalten. Ich bin überzeugt, dass das Verlagerungsziel realisierbar und mit dem neuen Tunnel umsetzbar ist.
Thierry Burkart (FDP/AG)
Ich stehe zur Verlagerungspolitik. Allerdings war es ein Fehler, ins Gesetz zu schreiben, dass das Verlagerungsziel nach Eröffnung des Gotthard-Tunnels erreicht werden muss. Die Verlagerungspolitik funktioniert erst, wenn die Neat als Gesamtsystem fertig ist, etwa 2020, 2021. Wir dürfen aber zur Kenntnis nehmen, dass der alpenquerende Verkehr von 1,4 Millionen Fahrzeuge pro Jahr auf rund 1 Million abgenommen hat – und das trotz Zunahme des Verkehrs. Der Anteil der Güter auf der Schiene ist europaweit einzigartig hoch!
Welches Verkehrsprojekt hat für Sie als nächstes Priorität?
Edith Graf-Litscher (SP/TG)
Im Bahnhof Bern ist es eng. Der zweitgrösste Bahnhof hat seine Kapazitätsgrenzen erreicht. Damit der Bahnhof auch in Zukunft funktionsfähig ist, muss er ausgebaut werden.
Thierry Burkart (FDP/AG)
Nachdem in den letzten Jahren sehr viel in den öffentlichen Verkehr investiert und mit der Vorlage «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur» (FABI) für die Bahn eine solide Finanzierungsstruktur geschaffen wurde, ist jetzt die Strasseninfrastruktur dran. Die chronische Unterfinanzierung der Nationalstrasse kann mit dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds behoben werden. Damit würde ebenfalls eine solide Finanzierung geschaffen und Engpässe könnten endlich behoben werden. Die schweizerische Verkehrspolitik funktioniert nur als Gesamtsystem. Dazu gehören Schiene und Strasse.