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Aktuell Raphael (24) hat Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet

Raphael Brodbeck verbrachte diesen Sommer zwei Wochen mit der Organisation «Sea-Eye» auf einem Schiff, das Flüchtlingen in Seenot vor der libyschen Grenze zur Hilfe eilt. Was wir aus den Medien kennen, findet dort tagtäglich statt. Er erzählt von seinen Erlebnissen und Begegnungen.

Die Crew der «Sea-Eye»
Legende: Die Crew der «Sea-Eye» SRF

Raphael ist jemand, der lieber handelt, statt nur zu reden. Deswegen entschied er sich dazu, das zu tun, was sich viele von uns vornehmen und es dann doch nicht tun: Er nahm Ferien, packte seine Sachen und verbrachte diesen Sommer zwei Wochen auf einem Schiff der NGO «Sea-Eye» vor der libyschen Küste, welche Flüchtlingen hilft, wenn ihr Boot zu kentern droht.

Was macht man auf dem Schiff genau?

MRCCs

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Das sind sogenannte Maritime Rescue Coordination Centres, also nationale Leitstellen zur Koordination der Seenotrettung und arbeiten im internationalen Bund zusammen.

«Bei uns bei der ‹Sea-Eye› geht es darum, Menschen zu sichern. Also sie in erster Instanz zu entdecken, dann das ‹MRCC› [Anm. d. Red.: Maritime Rescue Coordination Centre] in Rom zu informieren, welches dann Notrufe ans Militär absetzt, das die Menschen schliesslich nach Italien bringt», erzählt Raphael.

Doch was bedeutet das konkret? Sobald Raphael und seine Kollegen Menschen in Seenot entdeckten, liessen sie ihr Einsatzschiff ins Wasser, fuhren zu ihnen hin und informierten die Flüchtlinge über den weiteren Vorgang. Wenn nötig versorgten sie die Menschen zusätzlich mit Schwimmwesten oder betreuten sie medizinisch.

Sein schönstes Erlebnis: das Gefühl nach der Rettung

Raphael traf mit seinen Kameraden während seines Einsatzes auf zwei Flüchtlingsschiffe, die auf Hilfe angewiesen waren. Die Helfer leisteten vor Ort was sie konnten und übergaben die Menschen dann einem grossen Segelboot, auf dem die Menschen in Sicherheit waren. «Da habe ich eine grosse Befriedigung empfunden», erzählt Raphael.

Sein schlimmstes Erlebnis: Verfolgt auf hoher See

Während seines Einsatzes sah Raphael zwar keine toten Menschen, dennoch gab es eine Situation, die ihn sehr beängstigt hat. Das Schiff der Organisation ‹Sea-Eye› wurde einen Tag lang verfolgt.

Wir wurden verfolgt, nachdem das Schiff einer anderen Organisation in Sichtweite beschossen wurde. Die ganze Situation war sehr unklar und zum Glück intervenierte das Militär. Und zwar mit fünf Kriegsschiffen, drei Helikoptern und Schlauchbooten.

«Operation Sophia»

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Wenn wir von Militär sprechen, dann ist damit die «Operation Sophia» gemeint. Dies ist eine militärische Initiative der EU, um den Menschenhandel und -schmuggel zu bekämpfen. Hier koopieren die Marine Organisationen aus Deutschland, England, Spanien, Kroatien und Italien.

Von wem sie genau verfolgt wurden, weiss Raphael nicht. Doch er vermutet, dass sie einem Schmuggeldeal in die Quere gekommen sein könnten.

«Wir haben schon den ganzen Tag schwarze Behälter im Wasser gesehen, die mit Palmblättern bedeckt waren und GPS-Sender obendrauf hatten», erzählt er.

Was für Menschen bist du begegnet?

Entgegen der in der Schweiz geläufigen Annahme, dass von Nordafrika aus viele Eritreer die waghalsige Überfahrt nach Europa bestreiten, gab es bei den Menschen, die Raphael rettete, keinen einzigen aus Eritrea: «Viele waren aus Bangladesch. Man muss sich vorstellen, was für eine Reise diese Menschen auf sich genommen haben. Zudem waren auf beiden Booten Syrer, Afghanen und Nordafrikaner.»

Der grösste Teil sind junge Männer. Auf den zwei Schiffen habe ich lediglich eine Familie gesehen.

Stimmt also die Berichterstattung der Medien nicht mit der Realität überein?

«Zu einem Teil stimmt die Berichterstattung, zu einem anderen nicht wirklich», findet Raphael. Ein Punkt, bei dem die Berichterstattung nicht immer korrekt sei, sei die Anzahl der Menschen, die von Booten gerettet werden.

Miki war selbst auf der Flucht

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Miki, 18, ist von Eritrea aus in die Schweiz geflüchtet. Seit zwei Jahren wohnt er hier und macht jetzt eine Ausbildung. Bei «True Talk» redet er über seine Flucht.

Der Grund sei simpel: «Man muss sich vorstellen, wieviele Organisationen und Menschen in so eine Rettung involviert sind. Jeder behauptet dann, wir haben 30 gerettet. Wenn das also vier Organisationen sind, wären wir bei 120 statt 30 Überlebenden», erklärt Raphael.

Hast du das Gefühl, etwas verändert zu haben?

«Nein, verändert habe ich nur mein Gefühl. Mein Gefühl, dass ich glauben kann, ich habe etwas zurückgegeben, von dem Glück, das ich hier habe», sagt Raphael und fügt an: «Ich habe eine tiefe Ohnmacht in mir gespürt, weil man auf politischer Ebene nicht fähig ist, dieses Problem anzugehen. Deshalb hatte ich das Gefühl, dass wenigstens ich etwas dazu beitragen kann.»

Wie kann ich Flüchtlingen helfen?

Um Flüchtlingen zu helfen, muss man nicht wie Raphael ins Ausland reisen. Er sagt, das Wichtigste sei, dass man für sie da ist: «Es gibt in jeder Region Möglichkeiten, mit Flüchtlingen in Kontakt zu treten. In Basel gibt es beispielsweise das «Treffen in der Elisabethenkirche», bei dem man sich mit Flüchtlingen austauschen kann.»

Diese Treffen sind nicht nur fürs eigene Seelenwohl gut, sondern weitaus bedeutender, findet Raphael:

Der intensive Austausch mit Flüchtlingen ist ein wichtiger Grundstein der Integration.

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