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Eine Frau als Chef...
Aus DOK vom 11.02.2016.
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SRF DOK Bügeln und Putzen – so wie in der Schweiz

Wie werden Flüchtlinge Teil der Schweizer Gesellschaft? Heinz Gerig versucht seinen Integrationsschülern neben der Sprache auch Werte und Normen zu vermitteln – beispielsweise, dass Männer und Frauen hierzulande gleichberechtigt sind. Filmautor Beat Bieri erzählt von seinen Beobachtungen.

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Beat Bieri geht in seinen Filmen aktuellen, gesellschaftspolitischen Fragen nach. Der Dokumentarfilmer porträtiert Schweizer Identität in allen Facetten.

Die wichtigste Fähigkeit, welche die Flüchtlinge auf ihrem mühevollen Weg in die Schweizer Gesellschaft und in den Schweizer Arbeitsmarkt erwerben müssen, ist die Beherrschung der Sprache. Mit der Sprache alleine ist jedoch der grosse kulturelle Sprung, den diese Menschen aus einer anderen Welt schaffen müssen, nicht zu leisten. Heinz Gerig, der in acht Jahren den Integrationskurs «Riesco» entwickelt hat, legt deshalb in der einjährigen Ausbildung grossen Wert auf das Fach «Werte und Normen».

Da lernen die Flüchtlinge beispielsweise, dass Männer und Frauen hierzulande gleichberechtigt sind. Und immer wieder ist das für Männer aus traditionell-patriarchalen Gesellschaften ein Problem.

Weltmeister der Pünklichkeit

Eine grosse Schwierigkeit ist auch Pünktlichkeit. Der diesbezügliche Schweizer Anspruch ist ja wohl auch weltmeisterlich gross. Doch irgendwann haben die Schüler von Heinz Gerig begriffen, dass hierzulande Pünktlichkeit mit Zuverlässigkeit gleichgesetzt wird – eine unabdingbare Voraussetzung, um eine Anstellung im unbarmherzigen Schweizer Arbeitsmarkt zu ergattern.

Ein Mann zeigt zwei Personen eine Toilette.
Legende: Als Vorbereitung auf das Hauswirtschaftspraktikum: Die Flüchtlinge lernen das WC-Putzen. SRF

Viel schwieriger als Pünktlichkeit sind wiederum Verhaltensweisen und Ansichten zu ändern, die tief in der kulturellen, religiösen Prägung verankert sind – beispielsweise das Frauenbild.

Bügeln und Putzen

«Frauen und Männer sind gleichberechtigt», steht im Vertrag, den alle Riesco-Kursteilnehmer akzeptieren müssen. Das Thema wird während des Unterrichts immer wieder in konkreten Situationen angesprochen, etwa als Kursleiterin Doris Wobmann in der Lingerie verdeutlicht, dass Bügeln – entgegen der Ansicht von männlichen Kursteilnehmern – nicht eine alleinige Frauenarbeit ist. Oder als Kursteilnehmer von Heinz Gerig korrigiert werden müssen, dass Putzen eben auch eine Tätigkeit für Männer sei.

«DOK» am Donnerstag

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«Auf euch hat hier niemand gewartet» – Teil 2, 11. Februar 2016, 20.05 Uhr auf SRF1.

Schweiz gehört nicht zur Avantgarde

Es sind in der Regel keine dramatischen Situationen – auch Schweizer Männer bügeln kaum (und zudem darf man feststellen, dass die Schweiz, wo das Frauenstimmrecht erst seit 1971 existiert, auch nicht gerade zur Avantgarde gehört, was die Gleichberechtigung von Frau und Mann anbelangt). Doch oft sind die kleinen Anekdoten Ausdruck eines tiefersitzenden Unvermögens, Frauen als gleichwertig akzeptieren zu können.

Riesco?

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Der Riesco-Lehrgang bietet anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen die Möglichkeit, während 12 Monaten eine praxisbezogene Ausbildung zu durchlaufen. Zusätzliche Fächer sind Werte und Normen sowie Deutschunterricht.

So muss der Eritreer T.H. (übrigens kein Muslime, sondern ein orthodoxer Christ) gegenüber Heinz Gerig etwa eingestehen, dass er «Mühe» habe zu verstehen, dass Frauen in der Schweiz «etwas zu sagen haben». Er versuche selbstverständlich, dies zu akzeptieren, doch es falle ihm nicht leicht. Gerig hat sogar den Eindruck, der Eritreer schäme sich, dass er sich entgegen seiner Prägung so verhalten muss.

Das sind schwierige Umstände – und sie zeigen, dass Integration mehr ist, als ein Sprachunterricht.

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Flüchtlinge haben in der Gastronomie die grössten Chancen.
Aus DOK vom 11.02.2016.
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