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Arztrechnung: Zuerst zum Patienten oder direkt zur Kasse?
Aus Espresso vom 20.12.2016. Bild: Colourbox
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Versicherungen Arztrechnung: Zuerst zum Patienten oder direkt zur Kasse?

In den meisten Kantonen bezahlen zuerst die Patienten die Arztrechnungen und erhalten dann das Geld von der Krankenkasse zurückbezahlt. So steht es auch im Gesetz. Nun rechnen aber immer mehr Ärzte direkt über die Krankenkasse ab. Das ist für Arzt und Patient bequem, hat aber auch Nachteile.

So kennen es die meisten Patienten: Wenn sie beim Arzt waren, schickt ihnen dieser die Rechnung. Der Patient bezahlt sie und reicht den Rückforderungsbeleg bei seiner Krankenkasse ein. Diese bezahlt dem Patienten die Summe abzüglich Selbstbehalt und Franchise zurück.

Immer mehr Ärzte rechnen direkt über Kasse ab

Dieses System heisst Tiers garant und ist im Krankenversicherungsgesetz standardmässig für alle Kosten im ambulanten Bereich vorgesehen. Bei Spitalaufenthalten ist es anders: Dort kommt der Tiers payant zum Zug. Das heisst, das Spital rechnet direkt mit der Krankenkasse ab.

In letzter Zeit setzen aber auch immer mehr Ärzte auf Tiers payant: Sie schicken die Rechnung als der Krankenkasse anstatt dem Patienten.

Für Patienten wie auch für die Ärzte sei dieses System auf den ersten Blick einfach und bequem, sagt Urs Stoffel von der Ärztevereinigung FMH. Es habe aber auch einige Nachteile: «Bei den Versicherten geht das Kostenbewusstsein verloren. Wenn sie eine Rechnung zuerst selber bezahlen müssen, kontrollieren sie die Rechnung genauer. Zudem werden viele kleine Rechnungen unter 100 Franken gar nicht eingeschickt, sondern aus der eigenen Tasche bezahlt.» Dies wiederum reduziere die Gesundheitskosten.

Patienten sollen bestimmen, was an die Krankenkasse geht

Auch Margrit Kessler, Präsidentin der Stiftung für Patientenschutz plädiert dafür, dass die Rechnung zuerst an den Patient geht: «Das Wichtigste ist, dass der Patient die Rechnung kontrolliert. Nur er weiss, ob der Arzt die verrechneten Untersuchungen wirklich gemacht hat.» Zudem gingen bei der automatischen Abrechnung Gesundheitsinformationen an die Kasse, welche der Patient möglicherweise für sich behalten möchte wie psychiatrische Behandlungen oder ein HIV-Test.

Die beiden Krankenkassen-Verbände Santésuisse und Curafutura favorisieren keines der beiden Abrechnungssysteme. Es hätten beide Vor- und Nachteile, sagt Christoph Kaempf von Santésuisse.

Eine Umfrage bei einigen grossen Krankenkassen zeigte ebenfalls ein uneinheitliches Bild. Die CSS und die Swica favorisieren keines der beiden Systeme. Concordia und Sanitas sind für Tiers garant, weil nur so die Patienten die Arztrechnung kontrollieren könnten. Allerdings sei der administrative Aufwand für Patienten im Tiers garant höher.

Klar für die direkte Abrechnung mit der Krankenkasse setzt sich die Helsana ein. Mediensprecher Stefan Heini sagt: «Wir sind für Tiers payant, weil es kundenfreundlicher, einfacher und günstiger ist. Wichtig ist aber, dass der Patient immer eine Kopie der Rechnung erhält.»

Über die Hälfte der Ärzte rechnen direkt ab

Allerdings sei dies im Alltag kaum der Fall, denn die wenigsten Patienten erhielten vom Arzt eine Rechnungskopie, wenn er direkt mit der Krankenkasse abrechnet, hält Margrit Kessler von der SPO fest: «Das hat noch nie funktioniert. Obwohl es im Gesetz vorgeschrieben ist.»

Bei den angefragten Krankenkassen rechnen zwischen 50 bis 60 Prozent der Ärzte direkt ab, Tendenz steigend. Erhebungen der Helsana zeigen, dass seit 2009 immer mehr Ärzte ihre Rechnung nicht dem Patienten sondern der Kasse schicken.

Definition:

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Tiers garant: Der Arzt schickt die Rechnung an den Patienten, dieser bezahlt sie und leitet sie weiter an die Krankenkasse zur Kostenvergütung.

Tiers payant: Der Arzt sendet die Rechnung direkt an die Krankenkasse. Diese bezahlt den kompletten Betrag und stellt anschliessen dem Versicherten die Kostenbeteiligung in Rechnung.

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