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Gesundheit «Versicherungen spekulieren darauf, dass der Schnauf ausgeht»

Immer häufiger müssen geschädigte Patienten den teuren Rechtsweg beschreiten, kritisiert Patientenanwältin Bettina Umhang. Die Haftpflichtexpertin fordert, dass geschädigte Patienten besser geschützt werden.

Bettina Umhang ist Patientenanwältin und kennt den Kampf von geschädigten Patienten nur zu gut. Im «Kassensturz»-Interview erklärt sie, warum Geschädigte gegenüber den Ärzten im Nachteil sind und was sich ändern sollte.

Auf was muss sich ein Patient einstellen, der aufgrund einer ärztlichen Behandlung einen Schaden erlitten hat?

Bettina Umhang: «Geschädigte Patienten müssen dem Arzt den Fehler nachweisen können. Das ist schwierig, wegen des Wissensgefälles zwischen dem Arzt als Fachperson und dem Patienten. Auch rechtlich braucht es Spezialwissen, denn die Sachverhalte sind komplex. Die Anforderungen für die Durchsetzung von Behandlungsfehlern und Schadenersatzforderungen vor den zuständigen Behörden sind sehr hoch. Der Patient muss medizinische und juristische Experten beiziehen.»

Wieso dauern Haftpflichtverfahren so lange?

Bettina Umhang: Zuerst müssen die vollständigen Krankenakten beschafft und mit einer Fachperson besprochen werden. Dann wird versucht, eine aussergerichtliche Lösung zu finden. Ich würde sagen, der Zeitraum zwischen dem Behandlungsfehler und der Erkenntnis, dass man den Fall aussergerichtlich nicht lösen kann beträgt fünf Jahre. Muss man vor Gericht, dauert es noch viel länger.

Welche finanziellen Risiken geht ein Geschädigter ein?

Bettina Umhang: Wer in der Schweiz als Kläger vor Gericht gehen will, muss vorab einen Vorschuss für die Prozesskosten bezahlen. Die Höhe des Vorschusses und der Gerichtskosten hängen vom Streitwert ab. Der ist für die Patienten meist hoch, weil sie in ihrer Gesundheit geschädigt sind. Teilweise stehen hier hohe Schadenersatzzahlungen - zum Beispiel Erwerbsausfall - zur Diskussion. Für die Patienten kommt es zu grossen finanziellen Belastungen und Risiken.

Wenden die Haftpflichtversicherungen das bewusst als Taktik an?

Bettina Umhang: Leider scheint mir die Kultur der aussergerichtlichen Einigung etwas verloren gegangen zu sein, vor allem in Fällen, in denen hohe Schadenersatzzahlungen zur Diskussion stehen. Die Versicherungen scheinen darauf zu spekulieren, dass den Geschädigten auf dem langen Prozessweg der Schnauf ausgeht.

Was müsste zugunsten der Patienten geändert werden?

Bettina Umhang: Die prozessualen Hürden für Patienten sind definitiv nicht mehr haltbar. In einem gut funktionierenden Rechtsstaat muss es für die schwächere Partei einen Schutz geben. Bei den Mietern ist das ist in der Schweiz längst Realität. Für Patienten braucht es wesentlich tiefere Verfahrenskosten, einen kostengünstigen Zugang zu einem unabhängigen medizinischen Gutachten und vor allem Fachgerichte, die lösungsorientiert entscheiden.

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