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Hirnstimulation lindert Wahrnehmungsstörung
Aus Puls vom 03.12.2012.
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Schlaganfall - Hirnstimulation lindert Wahrnehmungsstörung

Viele Schlaganfallpatienten leiden unter dem «Neglect-Syndrom»: Sie nehmen eine Körper- oder Raumhälfte nicht mehr wahr. Ein viel versprechender Therapieansatz ist die Stimulation des Gehirns mit Magnetfeldern.

Viele Schlaganfallpatienten leiden unter dem verblüffenden Neglect-Syndrom. Auf Deutsch übersetzt bedeutet Neglect «Vernachlässigung»: Betroffene «vernachlässigen» eine Raum- oder Körperhälfte, als ob es diese gar nicht gäbe. Sie essen zum Beispiel nur noch die Hälfte des Tellers leer oder prallen dauernd in Hausecken. Ihre Umgebung und den eigenen Körper nehmen sie nur noch halbseitig wahr, obwohl ihre Augen und Sinneszentren intakt sind. Ihnen selbst ist das Problem meist gar nicht bewusst.

Wie viele sind betroffen?

Das Neglect-Syndrom tritt bei etwa einem Drittel der Schlaganfall-Patienten auf. Es ist häufiger, wenn der Hirnschlag in der rechten Hirnhälfte auftrat und kann vorübergehend oder bleibend sein.

Gestörte Aufmerksamkeit als Ursache

Ursache des Neglect-Syndroms ist eine gestörte Aufmerksamkeits-Steuerung im Gehirn. Normalerweise steuern beide Gehirnhälften die Aufmerksamkeit. Sie nehmen linke und rechte Umgebung ausgeglichen und übers Kreuz wahr.

Beim Neglect ist infolge des Schlaganfalls die Balance der beiden Hirnhälften aus dem Gleichgewicht geraten: Die gesunde Hirnhälfte wird überaktiv. Sie unterdrückt die Aufmerksamkeitsleistung der vom Schlaganfall betroffenen Hirnhälfte. Als Folge können Sehen, Hören, Fühlen, die Steuerung der Arm- und Beinbewegungen und die räumliche Vorstellung einseitig werden.

Mögliche Neglect-Symptome bei einem Schlaganfall rechts

  • Sehen: Linke Raum- und Körperseite nicht «sehen»
  • Hören: Was von links kommt, nicht registrieren, nicht darauf reagieren.
  • Spüren: Links nicht auf Schmerzen oder Berührung reagieren
  • Riechen: Riechen beeinträchtigt
  • Bewegungen: Linker Arm und linkes Bein werden vernachlässigt und nicht eingesetzt
  • Abbilden: Bei Erinnerungsbildern, Schilderungen, Zeichnungen fehlt die linke Seite.

Gängige Neglect-Therapien

Üblich sind Therapien durch gezielte Reize, welche die Aufmerksamkeit auf die vernachlässigte Seite lenken. Die Reize können visuell sein und z.B. durch Suchaufgaben erfolgen. Befehle und Tonsignale wirken als akustische Reize. Auch Muskel- und Nervenstimulation (Nackenvibrator) wird angewendet, um die Aufmerksamkeit zu trainieren.

Viel versprechende Hirnstimulation

Seit Jahren gibt es Versuche, das Neglect-Syndrom durch eine Hirnstimulation mit Magnetfeldern (Theta-Burst-Stimulation) zu behandeln. Die Therapie erfolgt äusserlich, ohne Eingriff. Dem Patienten wird eine Metallspule an den Kopf gelegt. Die Spule erzeugt ein magnetisches Feld. Der Strom, der dabei entsteht, wirkt durch die Schädeldecke hindurch auf die Nervenzellen des angesteuerten Hirnareals ein. Die Aktivität der behandelten Nervenzellen kann je nach Reizstärke verringert oder verstärkt werden.

Beim Neglect ist das Ziel, die überaktiven Nervenzellen der gesunden, vom Schlaganfall nicht betroffenen Hirnseite, zu beruhigen.

Wochenlange Verbesserung im Alltag

Bisher zogen sich Hirnstimulationen mit Magnetfeldern über Wochen hin. Eine neue Studie testete jetzt einen kürzeren Behandlungs-Rhythmus: acht kurze Sitzungen, verteilt auf zwei Tage. 24 Patienten nahmen daran teil. Die Studie lief doppelblind und Placebo-kontrolliert. Durchgeführt wurde sie an mehreren Zentren, u.a. am Berner Inselspital und am Luzerner Kantonsspital.

Resultat: Die Behandlung mit magnetischen Reizen war bei über einem Drittel wirksam. Bei 37 Prozent der Behandelten verbesserte sich die Wahrnehmung der vernachlässigten Seite. Die Neglect-Symptome nahmen im eigenen Alltag messbar ab. Der Effekt hielt über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen nach der Behandlung an.

Im Moment ist die Behandlungs-Methode noch immer im Versuchs-Stadium und wird nicht routinemässig eingesetzt. Hingegen laufen Versuche, die Methode auch bei anderen Problemen nach Schlaganfällen einzusetzen, etwa bei Sprachstörungen.

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