Zum Inhalt springen

Header

Holzschnitt einer bäuerlichen Szene
Legende: Im Mittelalter hatten die Bauern im Rahmen ihrer Leibeigenschaft Fronarbeit für den Grundbesitzer zu leisten. gemeinfrei
Inhalt

Leben vor 500 Jahren «Ihr sind Herren, wir Puren sind aber Meister!»

Schon vor dem Bauernkrieg 1525 kam es in Solothurn zu Aufständen gegen die Obrigkeit – mit weitreichenden Folgen.

6. Juni 1513: In Italien tobt der Mailänderkrieg, und die Schweiz steckt mitten drin. Eidgenössische Truppen besiegen bei Novara ein französisches Heer.

Dass beide Seiten dabei grosse Verluste erlitten haben, spricht sich schnell herum. Wochen später weiss man in Solothurn und Umgebung aber noch immer nichts Genaueres über das Schicksal der Schweizer Söldner. Wie viele sind gefallen? Wer hat überlebt? Mehr als 1200 Männer aus der Region sind nach Italien gezogen – und allen Bitten um Berichterstattung und Namenslisten zum Trotz bleibt ihr Schicksal im Dunkeln.

Böse Gerüchte machen die Runde, man wittert Verrat: Soll vertuscht werden, dass bei Novara Schweizer gegen Schweizer kämpften? Haben sich Teile der hiesigen Obrigkeit tatsächlich auf einen lukrativen Handel mit den Franzosen eingelassen und es denen allen Verboten zum Trotz ermöglicht, Hauptleute und Söldner für ihre Zwecke zu rekrutieren? Da waren doch diese französischen Gesandten an der Tagsatzung in Zürich...

Lukratives Geschäft mit der Gewalt

Im 16. Jahrhundert hatte sich die Entsendung von Söldnern zu einem einträglichen Gewerbe gemausert, denn die eidgenössischen Söldner galten als
überaus mutig und furchtlos. Im Geschäft mit der käuflichen Gewalt waren die eidgenössischen Reisläufer zur beliebten Kriegsware geworden, und für viele Orte der Eidgenossenschaft wurde das Soldgeschäft zum Grundstein des Herrschaftsausbaus.
Während die Soldherren finanziell von den Auseinandersetzungen auf den Schlachtfeldern profitierten, hatten die Söldner und ihre Hinterbliebenen oft das Nachsehen. Der Kriegsdienst war nicht nur risikoreich, oft genug erfolgten die versprochenen Soldzahlungen auch verspätet oder blieben ganz aus.

Zwei Aufmärsche vor der Stadt

Im Juli ist das Mass voll. Die Solothurner Landbevölkerung zieht vor die Tore der Stadt und stellt die Regierung zur Rede. Dabei geht es nicht nur um den Verbleib der Angehörigen und das Verhältnis zu Frankreich. Auch um die Ablösung der Leibeigenschaft, eine Ermässigung der Burgrechtstaxe und die freie Verleihung des Zehnten an den Meistbietenden.

Video
Hans Peter Treichler zum Solothurner Aufruhr
Aus Im Schatten der Burg – Leben vor 500 Jahren vom 17.07.2017.
abspielen. Laufzeit 50 Sekunden.

Die Ratsherren wiegeln erfolgreich ab: Grosser und Kleiner Rat anerkennen die Forderungen zwar, den Worten folgen aber keine Taten.

Lange lässt sich das die Landbevölkerung nicht bieten. Schon im August zieht man erneut nach Solothurn, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Diesmal versammeln sich 4000 Mann aus den umliegenden Vogteien vor den Mauern der Stadt. Rund 600 werden für die Verhandlungen eingelassen. Das Gros bleibt derweil draussen, fischt die herrschaftlichen Weiher leer und plündert das Haus eines verhassten Ratsherrn.

Unzimperlich auch der Ton am Verhandlungstisch: «Ihr sind Herren, wir Puren sind aber Meister», wird der Herrschaft unmissverständlich klargemacht. Ihr mögt zwar der Regierung angehören, das Sagen haben aber letztlich wir Bauern!

Die Obrigkeit gibt nach

Das bestimmte Auftreten der Aufrührer zeigt Wirkung: Die angeklagten Ratsherren räumen unter Folter ein, von den französischen Gesandten aufgefordert worden zu sein, gemeinsame Sache zu machen. Man sei darauf aber nicht eingegangen. Wirklich aus der Welt geschafft ist der böse Verdacht aber weiterhin nicht. Und Neues zu den Opfern der Schlacht in Italien wird es auch noch länger nicht zu hören geben.

Die anderen Anliegen werden diesmal ernsthaft geprüft und weitgehend umgesetzt. Was zu einer Neuordnung der Vogteien führt, dem Ende der Leibeigenschaft und einer Verringerung der Steuer- und Abgabenlast.

Für die Vogtei Bechburg, zu der auch Oensingen gehört, bedeutet dies unter anderem:

  • Das Acherum (Schweinemast mit Buchecken und Eicheln im Wald) wird erleichtert.
  • Der Fürkauf (Vorkaufsrecht zum Vorrat), zum Beispiel von Getreide, ist nur noch unter Vorbehalt gestattet.
  • Bären, Wölfe und Wildschweine dürfen von den Bauern frei bejagt werden.
  • Der Zehnt wird frei ausgerufen, ohne dass Priester, Vogt oder Weibel ein Vorrecht geniessen. Auch wohlhabende Bauern haben nun eine Chance, das Zehntenrecht auf ein Grundstück zu erwerben.

Die Solothurner Unruhen sind ein Vorbote der Bauernkriege, die zwölf Jahre später vom Süddeutschen Raum aus auch in die Eidgenossenschaft überschwappen. Auch hier geht es – nicht zum letzten Mal – um wirtschaftliches Ungleichgewicht und den Drang der Bauern nach mehr Freiheit und Recht. Ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel ist im Gange.

Meistgelesene Artikel