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Statue eines Tysannosaurus Rex
Legende: Tyrannosaurus Rex: Diese Statue in Kanada erinnert an die grossen Dinosaurier, die vor rund 65 Millionen Jahren von der Erde verschwanden. Imago
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Sommerserie «Anfänge» Massensterben in der Erdgeschichte

Das Leben auf der Erde hat sich schon mehrmals wieder neu aufrappeln müssen. Fossile Überreste in den Felsen und Ablagerungen unseres Planeten zeugen von fünf verheerenden Massensterben. Noch nicht in die Steine geschrieben hat sich die sechste grosse Aussterbewelle – auf die steuern wir gerade zu.

Das aktuelle Massensterben hat bereits einen Namen. Fachleute sprechen von «Defaunation». Die dramatische Dezimierung der Tierwelt – der Fauna – präge das laufende Erdzeitalter (Anthropozän) wie keine andere Entwicklung sonst.

Biologen warnen vor den Dimensionen dieser anrollenden Aussterbewelle. Manche sehen uns bereits mitten drin in einer Krise, die nicht nur die natürliche Aussterberate um ein hundert- bis tausendfaches übertrifft, sondern in ihrem Tempo auch alle bisherigen grossen Aussterbewellen.

Besonders Landtiere sind betroffen

Experten wie Rodolfo Dirzo, Umweltwissenschaftler an der Stanford Universität in Kalifornien, weisen insbesondere auf das anhaltende Artensterben unter den Landtieren hin. Dirzo hat die Dimensionen kürzlich in einem Schwerpunkt der Fachzeitschrift «Science», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen, zusammen mit anderen Expertinnen und Experten umrissen.

Als Massenextinktion wird ein überproportional grosses Artensterben bezeichnet, das innerhalb von einigen tausend Jahren stattfindet. Arten sterben aus, seit es Leben auf der Erde gibt. Der derzeitige Artenverlust übersteigt das natürliche Aussterben jedoch bei Weitem: Die geologischen Spuren liessen vermuten, dass die übliche Aussterberate bei den Landwirbeltieren beispielsweise bei einer Art pro 10'000 Jahre liege, schreibt Dirzo. Doch allein in den letzten 500 Jahren seien nachweislich 322 Arten ausgestorben – ein Viertel der Gesamtzahl.

Schwarz-Weiss-Foto zweier tasmansicher Tiger.
Legende: Bild der letzten tasmanischen Tiger im «National Zoo» in Washington D.C. Das Bild ist von 1904. Wikimedia/ Baker; E.J. Keller.

Dazu gehören etwa der Tasmanische Tiger, der mexikanische Schwarzbär oder straussenähnliche Laufvögel in Madagaskar. Ein Drittel der Wirbeltiere ist heute gefährdet.

Aus der Perspektive erdgeschichtlicher Zeiträume handelt es sich hier um eine unglaublich rasante Entwicklung. Und der Untergang der Wirbellosen, die eine Mehrzahl der bekannten Tierarten ausmachen, verläuft noch steiler. In den vergangenen 35 Jahren hat sich die Zahl der Insekten, Schnecken, Würmer oder Schwämme fast halbiert.

Für die Experten ist klar: Wir befinden uns inmitten eines neuen Massensterbens. Eines Massensterbens, dessen Verursacher der Mensch ist, weil er die Wildtiere überjagt oder ihnen mit der Zerstörung von Naturlandschaften die Lebensgrundlage entzieht.

Vor 66 Millionen Jahren: Das letzte grosse Massensterben

In der Erdgeschichte sind fünf grosse Extinktionsereignisse und eine Anzahl kleinerer Aussterbewellen bekannt. Das fünfte grosse Massensterben ist das wohl bekannteste. Es begann vor etwa 66 Millionen Jahren an der Grenze der Kreidezeit zum Tertiär und kostete die flugunfähigen Dinosaurier und mit ihnen etwa 70 bis 80 Prozent aller Arten das Leben.

Als Ursache wird der Einschlag eines riesigen Meteoriten vermutet. Es ist jedoch unklar, ob er das grosse Sterben verursacht oder lediglich beschleunigt hat. Viele Arten, darunter die Dinosaurier, waren schon zuvor im Niedergang begriffen. Damals hatte sich die Erdoberfläche von Grund auf neu formiert. Der Meeresspiegel fiel in weniger als einer Million Jahre um 150 Meter. Parallel dazu schrumpften auch die grossen Seen. Zudem war diese Periode geprägt durch eine extreme vulkanische Aktivität, in deren Verlauf grosse Mengen des Treibhausgases CO2 ausgestossen wurden. Dies führte zu einer Versauerung der Meere und zu einem Temperaturanstieg von bis zu zehn Grad.

Ein Ammonit-Fossil in einem Felsen am Meer.
Legende: Ein Ammoniten-Fossil an der Küste Englands. Vermutlich gab es um die 40'000 Arten der Kopffüssler. Imago

Vor 200 Millionen Jahren: Die vierte Auslöschung

Die vierte grosse Aussterbewelle ereignete sich am Ende der Trias vor zirka 200 Millionen Jahren. Damals starben Dreiviertel aller Arten aus. Dazu gehörten fast alle Landwirbeltiere, vor allem Reptilien und die grossen Amphibien. Meeresriffe wurden dezimiert. In den Ozeanen verschwanden die Aal-ähnlichen Conodonten, Ammoniten, muschelartige Armfüsser und andere Weichtiere.

Der Auslöser für diesen plötzlichen Einbruch der Artenvielfalt ist unklar. Vermutet wird ein Rückgang der Meeresspiegel und damit verbunden ein verheerender Verlust seichter Salzwasserhabitate. Auf dieses grosse Sterben folgte die hohe Zeit der Dinosaurier. Sie waren bald die dominanten Landtiere. Auch die Flugreptilien erlebten eine Blüte. In den Ozeanen wuchsen viele Saurierarten auf die Grösse von heutigen Walen an.

Vor 252 Millionen Jahren: Die dritte Aussterbewelle

Die dritte grosse Auslöschung des Lebens auf der Erde ist wahrscheinlich die grösste. Sie fand vor 252 Millionen Jahren an der Perm-Trias-Grenze statt. Damals starben 95 Prozent aller Arten im Meer und etwa 70 Prozent aller Arten an Land aus. Auch ein Drittel der frühen Insekten wurde ausgelöscht – es ist das einzige bekannte Massensterben von Insekten in der Geschichte der Erde, die derzeitige Entwicklung ausgenommen.

Animation: Erdkugel mit dem Urkontinent Pangäa
Legende: Animation: Der Urkontinent Pangäa zerbricht in die heutigen Kontinente. Wikimedia

Einzig die Landpflanzen scheinen das Ereignis einigermassen unbeschadet überstanden zu haben, mit Ausnahme der Wälder, die praktisch verschwanden. Damals bestand die Erde lediglich aus einem Ozean und einem riesigen Urkontinent: Pangäa. Diese Landmasse führte zu extrem heissen und trockenen Bedingungen im Landesinnern. Im späten Perm herrschten hier die höchsten Temperaturen in der Geschichte der Erde.

Ein grosser Vulkanausbruch in Sibirien könnte im Verlauf von 600'000 Jahren die Lebensbedingungen für viele Arten schliesslich unerträglich gemacht haben. Grosse Mengen an ausgestossenem Schwefeldioxid liessen den Ozean versauern. Der Sauerstoff verschwand aus dem Meer. CO2- und Methan-Emissionen führten zu einem enormen Treibhauseffekt, der für Pflanzen und Tiere an Land und im Wasser katastrophal war.

Das Leben auf der Erde brauchte nach diesem Einschnitt etwa 10 bis 20 Millionen Jahre, um seine vorherige Artenvielfalt wieder zu erlangen. Dabei ging das Leben ganz neue Wege. Das galt vor allem für die Wirbeltiere. Säugetierähnliche Reptilien blühten auf: darunter walrossähnliche Reptilien und bissstarke Pflasterzahnechsen, die in Seichtwasserregionen lebten. Haie und Fische diversifizierten sich und Riesenreptilien wie die delfinähnlichen Ichthyosaurier wurden zu den dominierenden Raubtieren im Meer. Nach dieser Aussterbewellen begannen sich auch die ersten hundegrossen Dinosaurier zu entwickeln.

Vor 375 Millionen Jahren: Das zweite Massensterben

Das zweite grosse Massensterben in der Geschichte des Lebens entwickelte sich über einen längeren Zeitraum mit verschiedenen Piks vor etwa 375 bis 359 Millionen Jahren. Das so genannte Devon- oder Kellwasser-Ereignis löschte mehr als Dreiviertel aller Arten aus. Pflanzen und Insekten überstanden die Krise relativ gut. Doch die meisten marinen Spezies waren stark betroffen. Knochenpanzerfische starben vollständig aus. Die Riffe, besonders artenreiche Ökosysteme, verschwanden für die nächsten100 Millionen Jahre komplett von der Erde.

In der ersten Phase dieser Krise litt der Ozean an einem Mangel an Sauerstoff. Zudem kühlte das Klima ab und der Meeresspiegel stieg an. Manche Experten nehmen an, dass die Ausbreitung der Landpflanzen für das Fehlen von Sauerstoff im Meer und für die Abkühlung der Atmosphäre verantwortlich war. Die Wurzeln der Pflanzen könnten die Verwitterung von Gesteinen vorangetrieben haben. Auf diese Weise gelangten mehr Nährstoffe in die Ozeane, was wiederum die Blüte von Algen befördert haben könnte, die für ihren Stoffwechsel Sauerstoff benötigten. Die Folge: Der Sauerstoff im Wasser wurde knapp.

An Land könnten Pflanzen und die Verwitterung von Silikaten der Atmosphäre das Klimagas CO2 entzogen haben, so dass die Temperaturen fielen. Vielleicht haben mächtige Vulkaneruptionen in Sibirien den Klimawandel verstärkt. Viele Expertinnen und Experten nehmen an, dass der Superkontinent Gondwana, der über den Südpol driftete, für die spätere Phase des Massensterbens verantwortlich war. Nach dieser Auslöschungswelle füllten die Haie die ökologische Lücke. Die ersten Amphibien entwickelten sich. Kurz darauf erschienen die ersten Reptilien.

Vor 445 Millionen Jahren: Das erste grosse Sterben

Das erste grosse Sterben ereignete sich vor etwa 445 bis 440 Millionen Jahren im oberen Ordovizium. Damals starben über 80 Prozent der Arten aus. Obwohl keine der Hauptgruppen vollkommen ausgelöscht wurde, kam es bei vielen marinen Arten zu grösseren Verlusten: zum Beispiel bei den Nautiloiden, den Vettern der heutigen Tintenfische, die bis dahin die dominierenden Raubfische in den Meeren waren. Ausgelöscht wurden auch diverse Arten der Armfüsser, Korallen, Moostierchen, Stachelhäuter und die meisten Conodonten.

Rekonstruktion ausgestorbener Nautiloideen
Legende: Rekonstruktion ausgestorbener Nautiloideen: Die Kopffüssler gelten als Urform der Tintenfische. Wikimedia

Am Ende des Ordoviziums erlebte die Erde eine grosse Eiszeit, eventuell versursacht durch die Position des Superkontinents Gondwana über dem Südpol. Eisschilde wuchsen und entzogen dem Meer Wasser, so dass dessen Spiegel bis zu 100 Meter sank. Die globale Abkühlung könnte das Ende vieler Wärme liebender Arten bedeutet haben. Nach einer Million Jahre endete die Eiszeit abrupt und führte zu einer zweiten Blüte des marinen Lebens. Fische wurden zu einem wichtigen Teil der Meer- und Frischwasserfauna. An Land breiteten sich die Pflanzen weiter aus. Die ersten Wälder wuchsen und einfache Insekten entwickelten sich sowie auch die Vorgänger der Amphibien.

Fazit: Klein sein ist von Vorteil

Aussterbewellen treffen in der Regel die grösseren Tiere am stärksten. Sie sind meist auf spezielle Nahrung angewiesen und auf ganz bestimmte Lebensräume. Pflanzen sind widerstandsfähiger. Es gibt jedoch Eigenschaften, die eine Art robuster und überlebensfähiger machen können.

Eine grosse Population, die weit verstreut lebt, vergrössert die Chance auf einen Zufluchtsort. Auch Tiere, die einen breit gefächerten Speiseplan kennen, sind im Vorteil, wenn Nahrungsquellen verschwinden. Zudem ist eine geringere Grösse von Vorteil. Denn kleine Tiere, brauchen weniger Nahrung. Zudem sind kleine Tiere in der Regel fortpflanzungsfreudiger. In diesem Fall gilt: Je höher die Fortpflanzungsrate, desto schneller kann sich eine Art an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen und überleben.

Darum sterben Arten aus

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Über 98 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten, die je auf der Erde lebten, sind heute ausgestorben. Die meisten verschwanden, weil sie sich nicht mehr behaupten konnten im Wettstreit um Nahrung und andere Ressourcen. Oder weil sie sich nicht an Umweltveränderungen anpassen konnten. Die restlichen Arten wurden Opfer einschneidender Aussterbewellen.

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