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Legasthenie bewältigen

Damit Betroffene trotz einer Lese-Rechtschreibstörung ihr Potenzial ausschöpfen können, brauchen sie Training und psychische Stärke.

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Wenn Kinder lesen lernen, lesen sie jeden Buchstaben einzeln. Das geht langsam und stockend. Mit der Zeit speichert das Gehirn aber bekannte Wörter als Wortbilder ab, die automatisch und blitzschnell abgerufen werden können. Die meisten Erwachsenen lesen nur noch wenige Wörter pro Satz bewusst und verlassen sich beim Rest auf die Wortbilder. Das macht das Lesen schnell und flüssig. 

Fehlende Wortbilder

Bei einigen Menschen funktioniert das Abspeichern und Abrufen von Wortbildern schlechter. Der Grund dafür liegt zum Teil in den Genen; oft sind auch ihre Angehörige vom gleichen Problem betroffen.

Gemessen an ihrer Intelligenz lesen diese Menschen markant schlechter und machen häufiger Rechtschreibfehler als man erwarten würde. Sie haben eine Lese-Rechtschreibstörung. Ans Englische angelehnt wird auch von Dyslexie, im Volksmund von Legasthenie gesprochen.

Anzahl Betroffener unklar

Wie viele Schweizer und Schweizerinnen genau betroffen ist, ist nicht bekannt. Viele verstecken ihre Schwäche, weil aufs Lesen und eine gute Rechtschreibung hierzulande viel Wert gelegt wird.

Monika Brunsting ist Psychologin und engagiert sich beim Verband Dyslexie – einem Zusammenschluss von Menschen mit Lese-Rechtschreibstörung, deren Angehörigen und von Fachpersonen. Monika Brunsting geht aufgrund von Studien und ihrer Erfahrungen davon aus, dass mindestens 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung von einer Lese-Rechtschreibstörung betroffen sind.

Folgen für die Psyche

Eine unbehandelte Lese-Rechtschreibstörung ist eine Belastung. Betroffene Kinder haben weniger Erfolg in der Schule, werden vielleicht sogar blossgestellt oder gehänselt.

Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass sie das Lesen und Schreiben ganz zu vermeiden versuchen. Das kann grosse juristische Probleme auslösen, etwa, wenn sie im Erwachsenenleben amtliche Schreiben ignorieren. 

Damit es nicht so weit kommt, sollten Betroffene früh Hilfe bekommen. Ein gezieltes und spielerisches Training in Begleitung eines Logopäden oder einer Heilpädagogin ermöglicht eine Automatisierung und Verbesserung des Lesens und Rechtschreibens und verhindert, dass der Frust zu gross wird.

Psychologin Monika Brunsting betont zudem, dass auch auf die Psyche geachtet werden muss. Denn Konzentrationsfähigkeit, Willensstärke, Resilienz und Optimismus tragen dazu bei, dass Betroffene die Energie zur Bewältigung der Legasthenie aufbringen können.

Nachteilsausgleich sorgt für Fairness

Betroffene haben ein Anrecht auf einen Nachteilsausgleich. Damit werden die Folgen der Lese-Rechtschreibstörung ausgeglichen.

Das kann bedeuten, dass Betroffenen mehr Zeit für das Lesen und Schreiben von Prüfungen gewährt wird, oder dass sie mündlich statt schriftlich geprüft werden.

Individuelle Strategien

Je nach Berufswahl und Charakter sind verschiedene Strategien für die Bewältigung einer Lese-Rechtschreibstörung denkbar.

Zum Beispiel kann gezieltes Training die Rechtschreibung verbessern. Gewisse Betroffene erreichen so, dass andere ihre Lese-Rechtschreibstörung gar nicht bemerken.

Ein Nachteilsausgleich ermöglicht, dass Betroffene ihre Ausbildung trotz Lese-Rechtschreibstörung abschliessen und ihr Potenzial voll ausschöpfen können.

Und nicht zuletzt können Betroffene auch klar kommunizieren, dass sie aufgrund einer Legasthenie viele Rechtschreibfehler machen. So können sie das Verständnis einfordern, das ihnen zusteht. Und wer weiss, vielleicht steht das Gegenüber mit der Rechtschreibung ja auch auf Kriegsfuss.

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