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Bühne Cirque Aïtal: Liebespaar zwischen Manegenstaub und Zirkushimmel

Neue Formen der Zirkuskunst gehören seit Jahren zu den zentralen Programmpunkten des Zürcher Theaterspektakels. Deswegen steht dieses Jahr auch ein Chapiteau auf der Landiwiese. Darin erzählt der Cirque Aïtal von einer Arbeitsbeziehung, die auch eine Liebesbeziehung ist. Alles ist wahr.

Wer hätte das gedacht: ein echtes Auto im Zirkus. Es fährt, hupt und stinkt. Und es bleibt in der Manege, fast während der ganzen Vorstellung des Cirque Aïtal. Der rote Simca gehört dem Artistenpaar Kati Pikkarainen und Vincent Cathala. Die beiden erzählen in ihrer neusten Produktion von ihrem Leben als Artisten und als Paar.

Beiträge zum Theaterspektakel

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Die Bilanz (Kultur kompakt, 30.8.)

Trend im Theater (Reflexe, 26.8.)

Short Pieces, Plattform für Choreographen (Kultur kompakt, 23.8.)

Cirque Aïtal (Kultur kompakt, 19.8.)

Faustin Linyekula, Drums and Digging (Kultur kompakt, 19.8.)

Philippe Quesne und Bidiefono (Kultur kompakt, 16.8.)

Bichsel & Gargiulo: Die tragische Komik (Reflexe, 14.8.)

Kennengelernt haben sich der hünenhafte Franzose mit den dunklen Locken und die zierlich kleine Finnin mit der blonden Kurzhaarfrisur an einer Artistenschule. Sie stammt aus einer Zirkusfamilie, er wollte ursprünglich Bauer werden. Seit jenen Tagen sind die beiden ein Liebespaar.

Metapher fürs Unterwegssein

Es ist ihre eigene Geschichte, die sie erzählen. «Pour le meilleur et pour le pire», «In guten wie in schlechten Zeiten», heisst ihr Programm - angelehnt ans Hochzeitsversprechen. Der rote Simca dient ihnen als Metapher fürs Unterwegssein – ihrem Los als Zirkusartisten. Zugleich ist er zentrales Bühnenelement: Handlungsort, Umkleidekabine, Requisitenschrank und Felsklippe.

Ihr Programm beginnt damit, dass Kati den Brautstrauss zum Autofenster hinauswirft. Kurz darauf gibts den ersten Beziehungsknatsch.

Szenen einer Ehe

Cirque Aïtal gehört zum Nouveau Cirque, einem Genre, das theatrale Geschichten mit den Mitteln der Zirkuskunst erzählt. Worte gibt es bei Kati Pikkarainen und Vincent Cathala kaum, dafür einen fast durchgehenden Soundtrack: das Autoradio. Es wird zur Tonspur ihrer Beziehungs-Erkundung.

Eien junge Frau in einem rot-schwarzen Badekostüm liegt auf dem Rücken und macht einen Spagat in der Luft. Über ihr springt ein junger Mann in Unterhose mit ausgebreiten Armen. Im Hintergrund ist ein rotes Auto zu sehen.
Legende: Geschichten mit dem Körper erzählen: Kati Pikkaraien und Vincent Cathala. Theaterspektakel, Mario des Curto

Sie erzählen von Streit, Keifereien, Versöhnung und Sinnlichkeit. Szenen einer Ehe sinds; eine durchgehende Handlung gibt es nicht. Als roter Faden dient ihnen das Leben «on the road». Stationen sind der Strand, ein Badmintonspiel, eine Rauchpause. Und natürlich die Zirkusmanege.

Dialog durch Körper

Mit ihren Körpern erzählen sie ihre Geschichte; durch ihr artistisches Können entspinnt sich ein Dialog. Dabei haben sie die klassische Rollenaufteilung: Er sichert am Boden und schleudert sie durch die Luft. Sie vollführt Salti, Handstand und andere Abenteuerlichkeiten.

Dieses Kräfte-Ungleichgewicht lässt Spielraum für Emotionen. Mal trägt er sie bildlich auf Händen, dann wiederum lässt er sie fallen – fast. Im letzten Moment hält er sie doch noch. Sie wiederum rappelt sich blitzschnell auf. In diesem Timing liegt Erzählpotenzial. Das schöpfen die beiden geschickt aus - ihre akrobatischen Einlagen sind Ausdruck einer grandiosen Körperbeherrschung.

Zirzensische Fotoromanza

Doch damit nicht genug: Nach den artistischen Leistungen gibt es immer wieder ruhigere Passagen. Der Hund des Paares taucht auf – und vollführt Kunststückchen. Wunderbar zum Beispiel ist auch jene Szene, in der Kati und Vincent im Auto sitzen.

Man sieht sie streiten, sich versöhnen, sich annähern – in Standbildern, eingefroren im Moment. Dazwischen wird es immer Stockdunkel. Das erzeugt einen Effekt, als würde man Fotos anschauen: eine zirzensische Fotoromanza.

Federleicht wirkt «Pour le meilleur et pour le pire». Dahinter jedoch steckt viel Kraft, Konzentration und Hingabe – eigentlich ein Sinnbild für eine gelungene Liebesbeziehung.

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