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Bühne Krieg und Flucht: Die erschütternde Aktualität in antiken Dramen

Sie sind über 2500 Jahre alt und immer noch aktuell. Antike Stoffe sind auf den Theaterbühnen so präsent wie schon lange nicht mehr. Mit gutem Grund: Sie erzählen von Krieg, Migration und Flucht.

Die Texte sind gut. Sonst hätten sie nicht überlebt. Dass sie überlebt haben, ist ein Glück fürs heutige Theater. Kaum ein Haus, das zurzeit keine antike Tragödie auf dem Spielplan hat oder ein Projekt über einen antiken Stoff erarbeitet.

Das Theater Basel erklärt die Antike sogar zu einem Saisonschwerpunkt: Es hat drei zeitgenössische Autoren und Autorinnen gebeten, drei überlieferte Tragödien neu zu schreiben: «Antigone», «Ödipus» und «Die Bakchen». Das Theater Basel ist mit seinem Interesse nicht allein. Ist der Rückgriff auf die Antike gerade in politisch komplizierten und gesellschaftlich unruhigen Zeiten besonders häufig?

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«Die römische Antike ist quicklebendig.» von Raphael Zehnder
aus Kultur kompakt vom 08.03.2016.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 41 Sekunden.

Schon die Alten griffen auf Älteres zurück

Die Altphilologin Therese Fuhrer, die an der Ludwig-Maximilians-Universität in München über die Antike lehrt, ist davon überzeugt, dass «jede Epoche die antiken Texte neu lesen und interpretieren muss».

Ihre Aktualität ergebe sich aus den zeitlosen, ethischen Konflikten, die in den Tragödien beschrieben werden. «Die historische und ästhetische Distanz, die wir heute zu diesen Texten haben, ermöglicht uns eine Interpretation, die ihre heutige Relevanz zeigt.»

Und tatsächlich: Schon Aischylos, Sophokles und Euripides haben von Krieg, Flucht und Migration erzählt. Sie lebten selbst in einer Zeit des politischen Umbruchs und griffen in ihren Texten auf bekannte mythische Erzählungen zurück.

Wenn die Wut gross ist

Das erfolgreichste neue Stück hat Elfriede Jelinek schon vor zwei Jahren geschrieben. Mit «Die Schutzbefohlenen» nimmt sie Bezug auf Aischylos' «Die Schutzflehenden» und verbindet diesen Text mit der Besetzung der Votivkirche in Wien vor zwei Jahren.

Es ist eine wortmächtige, wütende Textfläche, in der die Autorin laut gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik Position bezieht. Ein Stück, das schon an verschiedenen Theatern aufgeführt wurde und in den nächsten Wochen auch in Bern und Zürich auf die Bühne kommt.

Heldinnen, die in Griechenland um Asyl bitten

Im Original von Aischylos erbitten 50 Frauen aus Ägypten in Griechenland Asyl. Sie sollen zwangsverheiratet werden und haben ihre Heimat verlassen, um dem zu entkommen. Sie drohen, wenn sie nicht aufgenommen werden, mit kollektivem Selbstmord.

Im Konzert Theater Bern steht derzeit «Die Töchter des Danaos» von Aischylos auf dem Spielplan. Den Chor spielen hier junge Bernerinnen. Ihr Text ist vom Autor Gerhard Meister ins Berndeutsche übersetzt. Ganz direkt und heutig klingen ihre Klagen und ermöglichen uns einen Rückbezug auf eine Zeit, die fast 2500 Jahre zurück liegt.

Natürlich gibt es Unterschiede: Die Töchter Danaos', die Antigones und die Medeas von Heute haben nicht genau dieselben Probleme wie ihre antiken Vorbilder. Erstaunlich ist es dennoch, dass sie einige unserer heutigen Herausforderungen so gut umreissen können.

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