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Bühne Macbeth ist eine Frau

Macbeth ist eine brutale Kampfmaschine. Und eine Frau. Zumindest in der Inszenierung von Shakespeares Tragödie am Zürcher Neumarkt-Theater. Regisseur Pedro Martins Beja interpretiert das Stück als gruseliges Kasperlitheater mit Macho-Gebrüll.

Bei Shakespeare ist Macbeth der passive Täter: Er, der schottische Armeekommandant, der zu den Hexen geht, um zu wissen, was ihm die Zukunft bringt. Er, der sich von seiner Lady von Mord zu Mord jagen lässt, bis er den Königsthron hat – ein Tod brutaler und skrupelloser als der vorangegangene. Er, der an seiner Schuld zerbricht. Macbeth wird wahnsinnig. Auch Lady Macbeth sieht am Ende überall nur noch Blutflecken.

In der Inszenierung von Pedro Martins Beja im Zürcher Neumarkt-Theater ist das Blut von Anbeginn präsent. Mit rotbeschmierten Händen tritt Macbeth auf, mit rollenden Augen und einem bleichen, zur Grusel-Fratze geschminkten Gesicht: ein grotesker Horror-Kasper – und eine Frau.

Was macht einen Mann zur Kriegsgurgel?

«Macbeth»

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Legende: Caspar Urban Weber/Theater Neumarkt

Weitere Aufführungen bis Freitag 26. Dezember, Theater Neumarkt, Zürich

In Zürich spielt die Schauspielerin Janet Rothe Macbeth, der Schauspieler Christian Bayer tritt als Lady Macbeth auf. Es ist eine Gender-Thematik, die Martins Beja herausstreicht: Macbeth ist für ihn der Inbegriff einer brutalen, primitiven Macho-Kampfmaschine. In der Crossgender-Besetzung, indem er die Rolle einer Frau überträgt, kann er dies umso klarer zeigen. Die Rolle löst sich von der Geschlechtlichkeit.

Janet Rothe ist ein bluttriefender, zähnefletschender Kampfhund. Das ist es, was den Regisseur an Shakespeares Stück interessiert: Was macht einen Mann zur Kriegsgurgel? Wie wird ein Mensch zur Kampfmaschine? Fragen, die einer gewissen Aktualität freilich nicht entbehren.

Viel Vulgäres, viel Abgeschmacktes

Viel einfach gestricktes Männlichkeits-Ritual ist da nun zu sehen, viel Vulgäres, auch manch Abgeschmacktes. Der Nachwuchs, die Söhne, die den «Macbeth»-Plot wie auf einer zweiten Spur durchziehen, werden von den Erwachsenen eingeübt und abgerichtet, mit sadistischen Disziplinierungsspielchen. «Was soll aus dir werden? Ich will dir dieses Arschficken und Französischparlieren austreiben. Wir sind doch hier nicht in England» – da grölen die Schüler im Publikum.

Die Männlichkeits-Zurichtung ist ein interessanter Aspekt an «Macbeth», wenn auch nicht gänzlich unvermutet – vor allem aber bleibt es ein Aspekt und fügt sich an diesem Abend nicht zum Ganzen. Auch Sigmund Freud hat Shakespeares Stück auf die Generationenverbindung untersucht. Er sah zahlreiche Beziehungen auf das Vater-Kind-Verhältnis und in Lady Macbeths Zusammenbruch die Reaktion auf ihre Kinderlosigkeit, die Unfruchtbarkeit.

Trash und Splatter könnten auch öde sein

Soweit in die Tiefe geht Martins Beja nicht: Bei ihm bleibt's beim Posieren. Manches lebt auf im Einzelnen; übers Ganze spannt sich kein Bogen. Die Wirkung verpufft. Mag sein, dass dies mit dem Bühnenbild zu tun hat: einem Raubtiergehege wie im Zirkus. Dahinter toben Shakespeares Bestien sich aus – sauber abgetrennt vom Publikum, hinter einer Abschrankung, gegen die sie anzuspielen haben.

Vor allem aber läuft die Inszenierung von Anfang an auf hundert Touren, laut, heftig, grotesk, Trash und Splatter, ein Grand-Guignol des Macho-Gebrülls, das anderthalb Stunden lang immer gleich bleibt. Und deshalb auch rasch öde wird.

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