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Bühne «Mars Attacks!»: Wenn die Phantasie zuschlägt

Behindertentheater trifft Puppentheaterkollektiv: Das Zürcher Theater Hora und die Berliner Performancegruppe «Das Helmi» spannen zusammen für eine schräge, berührende Produktion und zeigen, was alles möglich ist, wenn man sich traut.

Das Naheliegende wurde zum Glück nicht realisiert: Hier die Marsmenschen, die in Tim Burtons schriller Science-Fiction-Komödie die Welt zerstören, und dort die Erdmenschen, die in hilflosen diplomatischen Verrenkungen dies zu verhindern suchen. Eindeutige Zuordnungen haben im neusten theatralen Wurf des Theater Hora nichts verloren.

Audio
Theaterredaktorin Dagmar Walser über «Mars Attacks»
aus Kultur kompakt vom 06.05.2014.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 59 Sekunden.

Sowieso ist das Gemeinschaftswerk vom Theater Hora und «Das Helmi» keine simple Übertragung des Films auf die Bühne. Vielmehr übernehmen die beiden Gruppen lediglich ein paar Motive daraus. Sie nutzen den Film als Sprungbrett, um frei und spielerisch die eigenen Geschichten zu erzählen.

Nach dem Quantensprung

«Mars Attacks!»

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Das Gemeinschaftsprojekt von Theater Hora und Das Helmi wird an folgenden Terminen aufgeführt:

Die letzte Produktion des Theater Hora war eine Zusammenarbeit mit dem französischen Choreographen Jerome Bel. «Disabled Theatre» war eine streng strukturierte Inszenierung, die gerade durch das enge, autoritäre Regiekonzept die Performerqualiäten der Hora-Spielerinnen eindrücklich zum Ausdruck brachte. Die Produktion wurde vielfach ausgezeichnet, weltweit gezeigt und bedeutete für das Theater Hora wie für das Genre Behindertentheater einen Quantensprung.

Wenn sich das Theater Hora nun für die neuste Produktion mit dem Berliner Puppenkollektiv zusammentut, ist das ästhetisch ein Richtungswechsel um 180 Grad. «Das Helmi» nämlich hat sich einen Namen gemacht für ein Trash-Theater mit selbstgebastelten Schaumstoffpuppen. Ein Theater, das vom Improvisierten, Unvollständigen und bewusst Dilettantischen lebt.

Ungebändigte Spiellust

Es ist ein beglückendes Zusammentreffen, das unbändige archaische Energie freizusetzten scheint. Denn anstatt die Welt zu zerstören, wird sie im Theaterstück «Mars Attacks!» neu erschaffen. Da darf geträumt werden, was das Zeug hält. Da werden auch Männer schwanger und die Babies, die zur Welt kommen, sind ein grünes Schaumstoffetwas – der Mars lässt grüssen.

«Was wäre, wenn...» scheinen sich die Macher als Leitplanke aufgestellt zu haben: Wenn alles, was einem einfällt, möglich wäre. Wenn die Unterscheidung zwischen den Geschlechtern, zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten, zwischen Traum und Wirklichkeit, Adaption und Erfindung gar nicht (mehr) wesentlich sind?

Keine Angst vor grossen Gefühlen und Albernheiten

Buchhinweis

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Marcel Buegiel und Michael Alber (Hg.): «Der einzige Unterschied zwischen uns und Salvador Dalí ist, dass wir nicht Dalí sind». Zum zwanzigjährigen Bestehen des Theater Hora. Verlag Theater der Zeit, 2014.

Träumen hilft. Auch dieser Satz könnte auf einem Wegweiser durch das so chaotische wie inspirierende Bühnengeschehen stehen. Indem sich die Performer spielerisch alles erlauben, trotzen sie der grünen Invasion eine Utopie von einer besseren Welt ab.

Dabei wird nicht so getan, als wären alle gleich und als könnten die Liebe oder die Phantasie alle Grenzziehungen ausradieren. Im gemeinsamen Spiel aber fordern sich die Horas und die Helmis gegenseitig derart heraus, dass sie sich dabei übertreffen. Und schaffen es so, uns an ihren alternativen Gesellschaftsentwürfen teilhaben zu lassen, die manchmal ganz zart und brüchig daherkommen und dann wieder laut und krachend. Zum Glück, für die Gesellschaft wie das Theater.

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