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Bühne «Viele Sprachen haben in der Schweiz keine Bühne»

Auf dem Programm des diesjährigen Spoken «Woerdz»-Festivals in Luzern stehen nicht nur PJ Harvey und Laurie Anderson. Sondern auch viele Secondos. Organisatoren des Festivals Aline Pieth und Matthias Burki über das Festivalthema «Fünfte Landessprache».

Ist Luzern die Spoken-Word-Hauptstadt der Schweiz?

Matthias Burki: Ja und nein. Es gibt zwar nicht viele Autoren, dafür aber ein grosses Publikum, das Spoken-Word-Veranstaltungen sehen will. Darum entstehen auch immer wieder neue Lesebühnen und Slams.

Spoken Word befindet sich in einer Nische, es kommt aus Clubs, lebt von der Enge und vom Schweiss. Und davon, dass man einander sagt, was gut ist und was nicht. Woerdz ist ein grosses Festival: Passt das noch zusammen?

Matthias Burki: Ich finde sehr. Das Südpol und auch das Kleintheater sind schöne Räume, die für 200 bis 350 Leute Platz bieten. Das ist immer noch intim. Gezeigt hat sich das am letzten Festival, als Patti Smith auftrat. Es gab unglaublich intensive Momente, die durchaus intim waren. Das ist nicht das Hallenstadion.

Video
Die Gewinnerin des Secondo Slams: Fatima Moumouni
Aus Kultur Extras vom 20.10.2016.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 31 Sekunden.

65 Künstler treten auf, darunter PJ Harvey. Auf dem Programm stehen auch ein Secondo-Slam und ein Werkauftrag mit dem Titel «Fünfte Landessprache». Gibt es ein Konzept für das Gesamtprogramm?

Matthias Burki: Wir haben dieses Jahr nach einer Klammer gesucht. Das wurde dann «Die fünfte Landessprache», weil sprachliche Realität in der Schweiz mehr ist als die vier Landessprachen.

Was ist die Idee hinter der «Fünften Landessprache»?

Aline Pieth: Viele Sprachen, die in der Schweiz gesprochen werden, haben keine Bühne. Wir haben Zahlen angeschaut, um herauszufinden, was eine fünfte Landessprache sein könnte. Hier wird viel Portugiesisch gesprochen. Englisch, Spanisch und Albanisch ebenfalls.

Festival-Hinweis

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«Woerdz» ist ein Spoken-Word-Festival in Luzern, das zum zweiten Mal stattfindet. Vom 19. bis am 23. Oktober feiern über 40 regionale, nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler aus der Spoken-Word-Szene die Bühnenliteratur.

Wir vergeben Werkaufträge an Künstler mit Migrationshintergrund, die eine andere Sprache sprechen. Sie müssen dann mit jemandem zusammenarbeiten, der aus einem anderen Land kommt.

Zum Beispiel?

Aline Pieth: Dércio Afonso da Silva, das ist ein junger Rapper aus Zermatt mit portugiesischem Migrationshintergrund. Er wird mit Mana Bugallo zusammenarbeiten, sie kommt aus Argentinien. Wobei wir bestimmt haben: Die Publikumssprache ist Englisch oder Deutsch. Das Übersetzen gehört also zum Auftrag. Sie müssen mit Über- oder Untertitel arbeiten, multimedial oder mit Übersetzungen.

Der Begriff Spoken Word scheint sehr dehnbar zu sein. Gehört die New Yorker Performance-Künstlerin Laurie Anderson noch dazu?

Matthias Burki: Sie selber sagt von sich: Ich bin eine Geschichtenerzählerin. Das allein reicht für ein Spoken Word-Festival. Wörter, Klänge, Geschichte: Das passt. Und sie performt selber.

Warum sind Franz Hohler, Emil oder ein Berner Troubadour nicht dabei? Sind die nicht Spoken Word?

Matthias Burki: Franz Hohler würde auf jeden Fall dazugehören. Er wurde sogar einmal angefragt. Emil gehört am Rande auch dazu, die Berner Troubadoure ebenso. Sie, Mani Matter und Modern Mundart sehe ich als Vorläufer für die aktuelle Spoken Word-Szene.

Das Alter spielt also keine Rolle.

Matthias Burki: Nein. Auch Peter Bichsel würde gut ins Programm passen. Oder Ernst Burren. Am letzten Festival war Urs Allemann dabei. Ein Lyriker, der sehr gut vorträgt. Wir sehen das breit und generationenübergreifend.

Zur Schweizer Spoken-Word-Szene: Sie ist gut 20 Jahre alt. Wo steht diese Szene heute?

Matthias Burki: Sie ist sehr etabliert im Literaturbetrieb. Weil sie aber auch sehr performativ arbeitet und an unterschiedlichen Veranstaltungsorten stattfindet. Soviel zum Formalen. Inhaltlich kommt es öfter zu Kollaborationen. Autorinnen und Autoren arbeiten zusammen und gehen gemeinsam auf die Bühne. Oder Gruppen werden gebildet – wie «Bern ist überall», Fitzgerald Rimini oder die Astronauten.

Auffällig ist auch die Zusammenarbeit mit Musik: innerhalb der Gruppen aber auch Veranstalter. Es gibt vermehrt Veranstaltungen, die gemeinsam mit Musikern gemacht werden. Ausserdem nimmt die Mehrsprachigkeit zu. Bei «Bern ist überall» etwa, oder auch bei vielen anderen.

Noch ein Wort zum Programmpunkt Secondo Slam. Heute abend treten zehn Künstlerinnen und Künstler mit Migrationshintergrund auf. Der Begriff ist markant. Besteht nicht die Gefahr, dass man kategorisiert? Dass man sagt: Ihr seid die Secondos und die in der Werkschau sind die richtigen Schweizer?

Matthias Burki: Das glaube ich nicht. Wir sind vom Festivalthema «Fünfte Landessprache» ausgegangen. Das ist eingebettet in ein Gesamtthema, das verschiedene Kulturen und Perspektiven zusammenbringen soll. Wir laden diese Leute ein, weil sie gut sind. Ich würde das ausserhalb eines Festivals mit einem solchen Thema nicht machen. Hier ist das gut eingebettet.

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