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Bühne Wer versteht Farsi? Fragezeichen am Theater Spektakel

Theater aus dem Iran ist ein Schwerpunkt am diesjährigen Theater Spektakel. «Sâl Sâniye», «Sekunden wie Jahre», heisst eines der Stücke. Gespielt von zehn jungen Frauen in Kopftuch und Springerstiefeln. Übersetzt wird nicht, was mehr als bedauerlich ist. Es entsteht ein Vakuum des Nichtverstehens.

Eine junge Frau mit Kopftuch und in Springerstiefeln bahnt sich den Weg durch die Zuschauer. Sie scheint etwas zu suchen, hämmert immer wieder gegen eine Tür. Ihre Lippen, die Unverständliches rufen, sind schwarz wie die Nacht. Als die Tür endlich aufgeht, tut sich ein leerer Raum auf. Trockeneisschwaden verdecken die Sicht. Zehn Frauen in identischen Jeanskleidern, die halb Hose, halb Rock sind, marschieren kreuz und quer. Ihr Schritt ist entschlossen, ihr Ziel scheint unklar.

Mach sauber!

Iran als Schwerpunkt

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Theater aus dem Iran ist ein Schwerpunkt am diesjährigen Zürcher Theater Spektakel. Zwei wichtige Vertreter des aktuellen iranischen Theaterschaffens sind die Regisseure Hamid Pourazari und Amir Reza Koohestani. Von letzterem ist mit «Iwanow» eine Milieustudie nach Anton Tschechow zu sehen. 23.-25. August, in der Werft, mit Übertitelung.

In der nächsten Szene von «Sâl Sâniye» (dt. «Sekunden wie Jahre») sind die jungen Frauen in durchsichtige Pellerinen gehüllt, mit Besen und Bürsten bewaffnet. Sie schrubben wie besessen den Betonboden, schütten eimerweise Wasser aus, so dass es bis in die Ränge spritzt. Eine weitere Szene – eine der stimmungsvollsten – zeigt die Frauen zu zweit auf weissen Laken. Während sie sich für die Nacht einrichten, ertönt aus einem Tablet leise Musik. Nur zwei sind es, die den Schlaf nicht finden können. Es ist ein Nachtbild voller Frieden und Zuversicht.

Albtraum trotz Schlaflosigkeit

Theater aus dem Iran sehen zu können, ist ein seltenes Privileg. Noch dazu als Uraufführung und von zehn jungen Performerinnen gespielt, die sich mit Frauenthemen auseinandersetzen. Mit dem Albtraum in den Köpfen unter den Kopftüchern und mit dem, was sie vergessen wollen.

Was die jungen Frauen allerdings an- und umtreibt, kann das Publikum nur erahnen. Die optisch eindrücklichen Fragmente, die in einer Choreografie von Gängen, kollektivem Marschieren und ermüdendem Rennen zusammengehalten sind, leben eindeutig von den Erzählungen. Dass sich eine fiebrige Nervosität ausbreitet, dass Kummer und Verzweiflung ebenso wie Hoffnung und Lebensfreude zur Sprache kommen, ist schnell klar. Doch steht dieser starke Eindruck in schmerzhaftem Widerspruch zu den in Farsi gesprochenen, nicht übertitelten Texten. Das ist mehr als bedauerlich, und überlässt es dem wohlwollenden Publikum, das Vakuum des Nichtverstehens auszuhalten.

Schritte in die Freiheit

In «Sâl Sâniye», welches der Regisseur Hamid Pourazari in Teheran mit der Papatiha Theatre Group entwickelt hat, geht es um Freiheit. Um die Zukunft, von der die jungen Frauen träumen. Am Schluss stehen auf der Bühne zehn paar Springerstiefel und eine Frau, die verbissen Seil springt. Sie scheint die Sprünge zu zählen und vielleicht die Schritte, welche sie trennen von ihrer Zukunft und der Freiheit.

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