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Bühne Wie Maschinen aus Fleisch und Blut

Komplexe Partnerszenen und aufs Wesentliche reduzierter Tanz: Der britische Choreograf Douglas Lee ist zum zweiten Mal zu Gast am Opernhaus Zürich. Dort zeigt er die Uraufführung von «A-Life» – künstlich erschaffene Welten, in denen die Tänzer als Maschinen aus Fleisch und Blut auftreten.

Er ist ungewöhnlich gross für einen Balletttänzer. Douglas Lee ist gut 1 Meter 90 lang und kräftig gebaut. Doch im Gegensatz zu seiner einnehmenden physischen Präsenz ist sein Verhalten zurückhaltend, fast scheu. Er spricht leise und ruhig. Bevor er eine Frage beantwortet, lässt er sich Zeit und überlegt.

Audio
Jennifer Khakshouri über das «Forellenquintett»
aus Kultur kompakt vom 10.02.2014.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 27 Sekunden.

Douglas Lee hat als Tänzer viel erreicht. Nach der Ausbildung an der Londoner Royal Ballet School wurde er 1996 Mitglied des Stuttgarter Balletts. Innert kürzester Zeit stieg er zum Ersten Solisten auf und tanzte Titelrollen in Stücken von Cranko, Balanchine, Forsythe und Kylián. Und doch: Das Tanzen war Douglas Lee nicht genug. «Mit gefiel das Tanzen, aber ich war nach einiger Zeit nicht mehr leidenschaftlich. Und man kann nur schwer Profi-Tänzer sein, wenn die Leidenschaft fehlt.»

Der Luxus der Selbstständigkeit

Douglas Lee wechselte die Seite. Er wollte nicht mehr auf der Bühne, sondern hinter der Bühne aktiv sein. Seit 2011 ist Douglas Lee freischaffender Choreograf. Er arbeitet für namhafte Institutionen wie das New York City Ballet, das Stuttgarter Ballett und das Nederlands Dans Theater. «Es gibt nichts an der Arbeit als Choreograf, das ich nicht mag. Ich mag die Zusammenarbeit mit Menschen und das Entwickeln von neuen Bewegungen», schwärmt Douglas Lee. Mit Begeisterung setzt er die einzelnen Komponenten wie Licht, Musik, Bewegungen und Kostüme zusammen.

A-Life

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Am Ballettabend «Forellenquintett» im Opernhaus in Zürich wird auch Douglas Lees A-Life uraufgeführt, vom 8. Februar bis am 12. Juni 2014.

Den Ausgangspunkt für ein neues Stück bildet stets die Musik. «Ich verbringe sehr viel Zeit damit, Musik zu suchen und zu hören.» Erst wenn er die Musik ausgesucht und durch mehrmaliges Hören verinnerlicht hat, setzt er die Klänge in Bewegungen um.

Douglas Lee geniesst sichtlich, die Entbehrungen des Tänzerlebens hinter sich gelassen zu haben. Insbesondere den Luxus, sich den Arbeitstag so gestalten zu können, wie es ihm gefällt. «Als Tänzer war ich gewohnt, morgens aufzustehen und zu trainieren. Jetzt kann ich auch um vier Uhr nachts arbeiten.» Die Tätigkeit als Choreograf beschäftigt Douglas Lee nicht nur im Ballettsaal: Er studiert stets an neuen Stücken und Bewegungen herum. «Das Choreografieren füllt mein Leben aus.»

Bewegungen als Puzzle-Teilchen

Douglas Lees Körpergrösse schlägt sich auch in seinen Choreografien nieder. «Weil ich so gross bin, habe ich viele Partnerszenen getanzt. Deshalb habe ich wohl eine besondere Affinität für Duos und Trios. Auch in seinem jüngsten Stück «A-Life» verschlingen sich die Körper der Tänzer und Tänzerinnen ineinander, so dass man manchmal kaum noch nachverfolgen kann, welcher Fuss oder welcher Arm zu wem gehört.

Solch ineinander verstrickte Bewegungsabläufe interessieren Douglas Lee, weil dadurch eine Art Puzzle entsteht. «Es ergibt sich immer etwas Neues daraus. Ich erschaffe nicht nur eine Bewegung, sondern ich muss ein Problem lösen, nämlich wie die Körper ineinander, aber auch wieder auseinander finden.»

Das Theater als künstliche Welt

Solch komplexe Partnerszenen zeigt Douglas Lee auch in «A-Life». Der Titel steht für «Artificial Life», Lee thematisiert in diesem Stück künstlich erschaffene Welten. «Das Theater ist eine künstliche Welt. Alle Tänzer spielen eine Rolle», beschreibt Douglas Lee. «Ich zeige die Tänzer und Tänzerinnen als Maschinen, aber als Maschinen aus Fleisch und Blut.» Die Bewegungen sind nicht sehr emotional, teilweise fast unmenschlich. Untermalt wird dies mit kontrastreicher Musik: Douglas Lee kombiniert Streicherkonzerte mit elektronischer Musik.

Sein Credo ist, den Tanz herunter zu brechen und auf das Wesentliche zu reduzieren: auf den Körper und auf dessen Bewegungen. «Ich mag den menschlichen Körper», erklärt Douglas Lee nüchtern. «Ich möchte den Tanz für sich selbst sprechen lassen.»

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