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Abschiede 2019: Karel Gott
Aus Kultur Webvideos vom 20.12.2019.
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Abschiede 2019 Karel Gott: ein Schlagerstar, der nicht nur schnulzig kann

Karel Gott steht bei uns für leichte Unterhaltung. Mit ihm verbinden viele das Titellied zum Trickfilm-Serie «Biene Maja» oder seine unzähligen Schlager wie «Babička». Doch Karel Gott konnte auch anders, vor allem in den frühen Jahren seiner Karriere in Prag. Dort, in seiner Heimat, haben heute viele ein gespaltenes Verhältnis zu Karel Gott.

Vanda Dürring

Vanda Dürring

Redaktorin Radio SRF 2 Kultur

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Vanda Dürring ist Redaktorin bei Radio SRF 2 Kultur. Sie ist gebürtige Tschechin und lebt seit der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Schweiz.

SRF: Woher kommt das gespaltene Verhältnis zu Karel Gott im heutigen Tschechien?

Vanda Dürring: Vor allem in den Anfängen seiner Karriere sang Karel Gott nicht nur schnulzige Schlager. In seinem frühen Repertoire sind auch Lieder zu finden, die zum Nachdenken zwingen.

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Vanda Dürring über die Bedeutung von Karel Gott in Tschechien
aus SRF 2 Kultur Live vom 02.10.2019. Bild: Keystone
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In «Pošli to dál» zum Beispiel singt er «Der Wind soll die Nachricht vom gefallenen Soldaten weiter tragen, vom Soldaten, der einsam gefallen ist». Oder in «Táto, zůstaň aspoň do Vánoc»: «Vater, bleibe wenigstens bis Weihnachten – und später … jetzt begreife ich, von nun an wirst du uns nur noch schreiben.»

Um was geht es hier?

Es geht um den Vater, der seine Familie verlässt, um von ihr getrennt weiter zu leben. Ein Schicksal, das viele Familien in der Tschechoslowakei kannten, nicht selten zerstörte der Alkohol die Familien.

Auch das Lied zum Gedenken an Jan Palach war in der Tschechoslowakei sehr bekannt. Jan Palach war der Student, der sich nach dem Niederschlagen des Prager Frühlings selbst verbrannt hatte, das war im Januar 1969.

Gott singt: «Wo ist er hingegangen, mein Bruder Jan – er liebte das Leben und war noch so jung als er ging …»

Das ist Sozialkritik, politische Kritik. Hat sich Karel Gott auch politisch positioniert?

Zunächst trat er als Regimekritiker auf, wenn auch nicht direkt, sondern eben mit solchen Liedern, die zwischen den Zeilen das Regime kritisierten. Noch im Oktober 1968 gab er ein Konzert «Zpíváme pro republiku» – frei übesetzt: «lasst uns für die Republik singen». Dort trat auch Marta Kubišová. auf mit ihrem Lied «Modlitba pro Martu» – ein Gebet für Marta, das zur Hymne im Aufstand wurde, übrigens noch ein zweites Mal bei der Wende 1989.

Sie sagten zunächst war er Regimekritiker – später nicht mehr?

Vielleicht ist Regimekritiker ein zu starkes Wort. Er kritisierte das Regime, wie es damals 1968 und 1969 viele taten. Doch dann schien er sich mit den Kommunisten zu arrangieren. Etwa zur selben Zeit trat er am Eurovision Song Contest auf und wurde dort vom Westen entdeckt.

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Aus dem Archiv: Karel Gott - Tausend Fenster (1968)
Aus Kultur Extras vom 16.05.2019.
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Zu der Zeit startete also seine Karriere vor allem im deutschsprachigen Raum. Ja, und bekanntlich war das Reisen unter dem kommunistischen Regime kaum möglich, ihm aber wurde es erlaubt. Er durfte im Ausland auftreten, was er dann auch immer öfters tat. Das brachte dem Land Devisen und er sollte das Land möglichst «hübsch» präsentieren.

Vier Menschen mit Sektgläsern.
Legende: Die Schlagersänger Karel Gott war im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich. Hier zusammen mit Jürgen Marcus, Roberto Blanco und dessen Tochter Patricia vor der ZDF-Silvesterparty (1981). Keystone

Er sollte das Land möglichst «hübsch» präsentieren?

Ja, das schien ein Arrangement zu sein: mit liebevollen Schlagerliedern die Herzen im Ausland zu erobern. Politische Positionen oder Statements waren nicht erwünscht. Das hat Karel Gott so nie zugegeben, aber durchblicken lassen hat er es eben doch. Letztes Jahr noch sagte er in einem Interview mit der tschechischen Zeitschrift «Prima Zoom»: Wer die Musik bezahlt, der entscheidet auch, was gesungen wird.

Karel Gott war also doch moderat regimekritisch?

Nein im Gegenteil. Er war eher regimefreundlich. Denn was ihm viele Tschechen bis heute nicht verzeihen können: Karel Gott hat die sogenannte «Anticharta» unterschrieben – also das Gegenstück zur «Charta 77». Diese haben weit über 200 Kunstschaffende unterschrieben aus Protest gegen das kommunistische Regime, daraus entstand dann auch die Bürgerrechtsbewegung, eine starke Opposition gegen das Regime.

Hier zeigte sich also Karel Gott alles andere als regimekritisch. Später meinte Karel Gott dazu: er sei reingelegt worden, was allerdings wenig glaubwürdig klingt.

Heute ist das Verhältnis zu Karel Gott im eigenen Land gespalten. Woran zeigt sich das?

Vor allem daran, dass bis heute in der Presse seine Glaubwürdigkeit hinterfragt wird. Denn selbst nach der Wende vor 30 Jahren, da hat er wohl gemerkt, dass sein Verhältnis zu den Kommunisten nicht goutiert wird. Er gab bekannt, er wolle aufhören und gab sogar ein Abschiedskonzert. Er konnte es dann aber doch nicht lassen

Vor allem die Jungen sehen den Sänger eher kritisch. Es gab sogar eine Petition, dass man Karel Gott bei den jüngsten Protesten gegen die heutige Regierung von Andrej Babiš nicht auftreten lassen soll.

Doch daneben gibt es sehr viele, die nun ehrlich trauern. Viele Leute in Tschechien mögen seine Musik und verehren Karel Gott bis heute.

Das Gespräch führte Jodok Hess.

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