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«Bestatter» im Reality-Check Ein Polizist vergleicht den «Bestatter» mit der Realität

Wie realistisch ist die Ermittlungsarbeit in «Der Bestatter»?

  • Ein Polizist hat sich die «Bestatter»-Episode «Letzter Zug» angeschaut und erklärt, wie wahrheitsgetreu die Ermittlungsarbeit dargestellt ist.
  • Bürokram oder Anstehen auf dem Polizeiposten? Beim «Bestatter» würden die unspektakulären Aspekten bei Kriminalfällen fehlen, meint der Profi.
  • Der «Bestatter» ist dennoch um einiges realistischer als US-amerikanische Serien.

Da muss ein echter Polizist schmunzeln

Kriminaltechniker in weissen Schutzanzügen durchsuchen gerade die Wohnung eines Psychopathen, als Luc Conrad und die Kommissare in Strassenkleidung hereinplatzen. Das bringt Sven M. zum Lachen.

«Das geht natürlich nicht», sagt er. «Dass hier jemand einfach so reinläuft und Schuppen, Haare, DNA verteilt. Die Kriminaltechniker müssen ihre Arbeit sauber abschliessen. Erst dann können die Kommissare reinspazieren.»

Sven M.

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Zum Schutz der Persönlichkeit wurde der Name des Schweizer Kantonspolizisten im Artikel geändert.

Sven M. ist Polizist. Strassen, Tatorte und die Polizeiwache sind seine Arbeitsorte. Auch Luc Conrad geht durch diese Welt. Seine ist aber fiktional. Als ein Aargauer Bestatter löst er auch in der fünften «Bestatter»-Staffel aussergewöhnliche Todesfälle.

Seine Ermittlungsmethoden sind eigenwillig, manchmal fragwürdig, aber meist erfolgreich. Sogar in beunruhigenden Situationen bleibt er ruhig, sagt gelegentlich «Scheisse», aber bleibt cool.

Lassen sich die Todesfälle wirklich so elegant lösen? Oder machen es die Drehbuchautoren dem Bestatter zu leicht? Der Polizist hat sich die Episode «Letzter Zug» angeschaut und erklärt, wie wahrheitsgetreu die Ermittlungsarbeit dargestellt ist.

Der Bestatterwagen fährt vor

Zu Beginn der Episode stirbt in einem Brockenhaus eine Frau. Der Leichenwagen von Conrad fährt vor. «Ein Bestattungswagen mit einem so auffälligen Logo ist heute selten», so Sven.

«Wird eine Leiche abtransportiert, dann passiert das heute in einem neutralen Auto. Aus Pietätsgründen wird der Tod nicht gleich ins Dorf hinausposaunt.»

Hübsch, aber gefährlich

Auffällig ist aber nicht nur der Wagen, sondern auch der Stil der Kommissare. In der Polizeistation will Doerig eine Zeugin befragen. «Der Schulterholster für die Pistole ist hübsch, erinnert an einen Gangsterfilm aus den Fünfzigern», sagt Sven.

«Er wird heute aber selten getragen. Stellen Sie sich vor, wie viele Leute Sie versehentlich treffen könnten, bevor Sie mit der Waffe den gewünschten Schusswinkel erreichen. Pistolen werden heute am Gürtel getragen. Muss man sie ziehen, folgt die Bewegung am Boden entlang zur Schussposition.»

Der Bestatter darf nicht mitfeiern

Die Episode bleibt dem Gangster-Genre treu: düstere Stimmung, staubige Räume, Slow-Motion. Die Kommissare sehen sich am Tatort um. «Bei aller Sympathie für diesen Bestatter, aber an diesem Tatort hat er nichts verloren», sagt Sven. «Er hat keine Befugnis, diese Sperrzone zu betreten.»

Vergleiche man einen solchen Kriminalfall mit einem Fest, scherzt Sven, «dann feiern hier die Kriminaltechnologen, Kommissare und Gerichtsmediziner. Ein Bestatter hat wirklich nur das Altglas zu entsorgen.»

Nümmerli ziehen auf dem Posten

Später taucht plötzlich der Sohn der verstorbenen Frau im Büro der Kommissare auf. Dazu Sven: «Dieser Mann kann ohne Badge nicht einfach reinkommen und die Leute bei der Arbeit unterbrechen. Will er eine Anzeige machen? Dann muss er zum Polizeiposten und ein Nümmerli ziehen.»

Für die Serie lässt man solche unspektakulären Wahrheiten aber weg. Im Fernsehen steht nicht in die Schlange, wer eine Aussage machen will.

Verstärkung erforderlich

Überhaupt fehle in einer Krimi-Serie der trockene Teil der Arbeit, sagt Sven. «Die Polizei arbeitet mit Fakten und nicht nur mit Aussagen. Bevor eine Leiche weggetragen wird, muss erst ein Arzt den Tod feststellen, Tatspuren werden erst nach einer Auswertung zugeordnet, Aussagen werden überprüft. Das ist viel Arbeit im Labor und im Büro.»

Ausserdem arbeite man in grösseren Teams. «Ein Mann ist kein Mann: Das ist die Devise in den Schweizer Polizeikorps. Kein Polizist wird so unvernünftig sein, ohne Verstärkung in ein Haus einzudringen, sondern Verstärkung anfordern. Auch recherchiert wird zusammen.»

Licht an, Film ab

Trotzdem hält Sven die Serie für gut gemachte Unterhaltung, und auf jeden Fall für realistischer als amerikanische Serien wie «CSI», «Criminal Minds» und «Law & Order». Bei diesen Serien schaudert es ihn, wenn Polizisten die Pistole nahe am eigenen Kopf halten oder Kommissare im Dunklen arbeiten.

Im wirklichen Polizistenleben behält der Cop seine Waffe wenn immer möglich am Gurt. Auch sind die Tatorte meist gar nicht so düster, wie Krimizuschauer es gerne mögen. Gearbeitet wird bei Licht.

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