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«Berlin Express» – Ein Nachkriegsmärchen
Aus Kultur Extras vom 07.05.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 46 Sekunden.
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40. Todestag Jacques Tourneur «Berlin Express» – ein Märchen zwischen Trümmern und Träumen

Vor 40 Jahren starb der Regisseur Jacques Tourneur. In seinem Film «Berlin Express» von 1948 propagierte er die Idee der vereinten Nationen, obwohl bereits der Kalte Krieg tobte. Zu unrealistisch, befand das Publikum.

Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs: Ein Zug fährt von Paris nach Berlin. Während einem unfreiwilligen Zwischenstopp in Frankfurt wird der deutsche Friedensaktivist Dr. Bernhard entführt.

Jacques Tourneur

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Der gebürtige Franzose (1904-1977) drehte in den USA, vor allem Horrorfilme und B-Movies im Stil des Film Noirs. «Er versuchte stets, über das Sichtbare hinaus Gefühle auszudrücken, die unter die Haut gehen», sagte Carlo Chatrian, der künstlerische Leiter des Filmfestivals Locarno. Dort war Tourneur 2017 eine Retrospektive gewidmet.

Seine Mitreisenden – ein Russe, ein Engländer, zwei Franzosen und ein Amerikaner (gespielt von Hollywoodstar Robert Ryan) – verbünden sich, um den Vermissten zu retten.

Vier Nationen, ein Feind

Die Nationalitäten der Reisenden sind symbolisch zu verstehen: Sie entsprechen denen der vier Besatzungsmächten, die Nachkriegsdeutschland regierten.

Trotz Meinungsverschiedenheiten halten die Alliierten aus Ost und West, die unterschiedlicher nicht sein könnten, zusammen und kommen den Übeltätern auf die Spur.

Schrecksekunden, Schurken und Schüsse schmücken den Schwarz-Weiss-Thriller aus. Aber die Stimmung des Films wird durch was ganz anderes bestimmt.

Merle Oberon und Robert Ryan
Legende: In den Hauptrollen: Merle Oberon als Französin und Robert Ryan als Amerikaner. IMAGO

Faszinierende Trümmerbilder

Der bekannte Hollywood-Regisseur Jacques Tourneur drehte «Berlin Express» nicht im Studio, sondern vor Ort – in Frankfurt und Berlin. Die Städte lagen 1948, drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, noch in Trümmern. Noch heute vermitteln die Aufnahmen das Ausmass der Zerstörung.

Der Spielfilm ist durchsetzt von diesen Bildern, die an Wochenschau-Aufnahmen erinnern und dadurch dem Film einen dokumentarischen Charakter verleihen. Dieses Dokumentarische steht im Gegensatz zur irrealen Geschichte von «Berlin Express».

Wie im Märchen

Der Graben zwischen Ost- und Westmächten konnte schon 1945 nicht mehr geleugnet werden. Amerika, England und Frankreich auf der einen und die Sowjetunion auf der anderen Seite. Der englische Premierminister Churchill hatte bereits 1946 den Begriff des Eisernen Vorhangs geprägt, der symbolisch für die Trennung zwischen den kapitalistischen und kommunistischen Staaten stand.

«Berlin Express», der 1948 in die Kinos kam, erzählte schon damals eine utopische Geschichte, ein Märchen. Es sollte den Menschen die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft schenken.

Menschen sitzen auf Trümmern
Legende: Die Mitglieder der vier Besatzungsmächte arbeiten zusammen – aber nur im Film. IMAGO

Zu unrealistisch fürs Publikum

Letztlich spiegelte der Film den Geist der 1945 verabschiedeten Charta der Vereinten Nationen wieder. Wahrung des Friedens, freundschaftliche Beziehungen zwischen den Nationen, internationale Zusammenarbeit bei globalen Problemen – eigentlich ist «Berlin Express» eine Verfilmung des ersten Artikels der Charta.

Doch die Erzählung, in der Vertreter der vier Besatzungsmächten gemeinsam einen vermissten Deutschen suchen, kam beim Publikum nicht an. Zu unrealistisch schien das Szenario.

«Berlin Express» war, bereits vor seiner Veröffentlichung, von der Zeit überholt. Trotzdem: Ein Thriller, der unterschätzt wurde – und zu schnell in Vergessenheit geriet.

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