- Die Serie «Homeland» thematisiert oft Terrorismus: Während der Dreharbeiten jedoch musste sich Alireza Bayram mit echten Anschlägen auseinandersetzen.
- «Homeland» zementiere Stereotype, sagen Kritiker. Alireza Bayram widerspricht. Auch als Künstler das Set sabotieren, ändert das nichts an seiner Meinung.
- Der Dreh zu einer US-Serie unterscheidet sich in einem Punkt sehr vom Schweizer Filmset: Die Drehbuchautoren sind Schwergewichte und feilen bis zuletzt.
November 2015: Am Filmset der US-Serie «Homeland» in Berlin ist es still. Ungewöhnlich still, obwohl 300 Statisten, Schauspieler und die Crew beginnen wollen, eine Schlüsselszene zu drehen. Mit dabei Alireza Bayram, Zürcher Schauspieler mit iranischen Wurzeln. Aber auch er ist still. Weiss nicht, was er sagen, wie er mit der Situation umgehen soll.
Terror spielen kann schwer sein
Der Grund: Drei Tage davor wurden in Paris, im Club Bataclan und an anderen Orten mehr als 130 Menschen ermordet – durch einen terroristischen Anschlag. Hier holt das Leben die Fiktion ein, und Alireza Bayram ist mittendrin.
Er spielt die Rolle des Qasim, eines verdächtigen Moslems in terroristischem Umfeld. Kann man sich in einer solchen Situation fiktiv mit dem Terror auseinandersetzten? Angesichts der Toten von Paris? Alireza Bayram muss.
Die Arbeit muss weitergehen. Der Zeitplan ist eng getaktet. Viel Geld ist im Spiel. Also wird gedreht. Doch die Stimmung am Set ist nicht so unbelastet wie in den Tagen davor.
Perser- statt Spannteppich
Alireza Bayram hat iranische Wurzeln, fühlt sich aber als Zürcher und ist stolz über seine Herkunft. In Oberengstringen wächst er zusammen mit seinen Geschwistern auf: behütete Kindheit, danach KV-Lehre.
Was sein Elternhaus von anderen unterscheidet? Perserteppich statt Spannteppich und Farsi statt Schweizerdeutsch. Das war's. Vorbehalte? Ja, die gab es, aber glücklicherweise nicht sehr oft.
Ein Bart und viele Blicke
Während der Dreharbeiten, nach den Anschlägen von Paris änderte sich die Situation. Wegen seiner Rolle trug er einen Bart und hatte längere Haare, er sah etwas «zerzaust» aus, wie er sagt. Dies hat gereicht, um Blicke auf sich zu ziehen.
Das macht Alireza Bayram Angst. Nicht nur, dass man ihn für einen Terroristen halten könnte, sondern vor allem die Erkenntnis, wie stark die Anschläge die Gesellschaft polarisieren. Auch er sei vor Vorurteilen nicht geschützt: «Ich stehe im Berliner Hauptbahnhof: Ich sehe einen Mann mit Bart und muss zu mir selbst sagen: Halt, stopp, ich auch! Was macht das mit uns? Es teilt uns. Da bin ich echt erschrocken.»
Keine Angst vor Stereotype
Alireza Bayram wehrt sich dagegen, in eine Schublade gesteckt zu werden. In seiner bisherigen Karriere spielte sein Äusseres kaum eine Rolle. Es ging vor allem darum, Geschichten zu erzählen. Seine iranischen Wurzeln waren meist unwichtig.
Dass er in «Homeland» auch wegen seines Aussehens besetzt wurde, stört ihn trotzdem weniger. Er sei weder gläubig, noch spreche er Arabisch. Für Bayram ist Qasim eine facettenreiche Figur, die eine Wandlung durchmacht.
«Homeland» im Kampf mit der Spraydose
Doch die Serie «Homeland» steht auch in der Kritik: Sie zementiere Stereotype und sei hochgradig islamophob. Was verständlich ist, denn Moslems werden meist als potentielle Terroristen dargestellt, halten sich in dunklen Räumen auf oder wirken bedrohlich.
Überdeutlich wurde diese Kritik bei den Dreharbeiten zur fünften Staffel. Drei ägyptischen Künstlerinnen gelang es, kritische Graffitis am Drehort zu platzieren.
Die Künstler sollten die Kulissen für ein Flüchtlingslager mit arabischen Schriftzügen besprayen. Das taten sie – erst nach der Ausstrahlung bemerkten die Verantwortlichen, was da geschrieben stand: «Homeland ist rassistisch.» Oder «Homeland ist ein Witz, und wir haben nicht gelacht.» Bayram erzählt: «Wir haben alle am Set darüber geschmunzelt. Für mich sind das echt coole Punks – doch den Inhalt würde ich bestreiten.»
Autoren sind Schwergewichte am Set
Was Alireza Bayram am Set jedoch besonders auffiel, war die Rolle der Autoren. Bei schweizerischen oder deutschen Produktionen lerne man die Autoren selten kennen. Bei «Homeland» war das anders: Die Autoren sässen mit am Set: «Sie gucken, was du machst, schreiben weiter. Das hat mich sehr beeindruckt, wie die Autoren in so kurzer Zeit so viel entwickeln.»
Fixfertig war der Text erst am Drehtag. Und nachdem eine Episode abgedreht war, ging alles sehr schnell: «Während ich die letzte Folge gedreht habe, wurde die vorletzte in den USA schon ausgestrahlt.»
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Stillstand ist nicht in Sicht
Seit Dezember ist Alireza Bayram zurück in Zürich. «Homeland» ist vorbei, und der Alltag hat ihn wieder: Trotz des Erfolgs mit «Homeland» und neuer Projekte studiert er weiter Film an der ZHdK. Aktuell arbeitet er an einem eigenen Kurzfilm. Stillstand ist nichts für ihn. Es gibt noch so viele Geschichten zu erzählen – sei es als Schauspieler oder als Filmemacher.
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