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Film & Serien Blut, Schweiss – und Drohnen

Bevor Kriege asymmetrisch wurden, zeigten gefühlt zehntausend Zweitweltkriegsfilme, wie sich eingezogene US-Boys die Hände für die gute Sache blutig machten. Das aktuelle Hollywoodkino indes tut sich schwer damit, für die neuen Kriege sinnstiftende Personen, Begriffe und Bilder zu finden.

Als die USA im Dezember 1941 in den Weltkrieg eintraten, lief die Produktion von Filmen, die den Kampf der US-Streitkräfte als gerechten Kreuzzug darstellten, bereits auf Hochtouren. Auch siebzig Jahre später ist es schwierig, dem Engagement der USA gegen Nazideutschland die Aufrichtigkeit abzusprechen. Natürlich verfolgten die Vereinigten Staaten bei ihrem Bestreben, Demokratie und Freiheit zu erhalten, auch ihren eigenen Vorteil. Doch ändert das nichts daran, dass es, neben der Roten Armee, vor allem US-Soldaten gewesen waren, die Europa vom Nazi-Albtraum befreit hatten.

«Inglourious Basterds»

Hollywood fokussierte von Beginn weg auf den einfachen Soldaten als Repräsentanten des Sturmgeschützes der Demokratie. Zwar dürfte den GIs die Güte ihrer Mission ziemlich egal gewesen sein, doch gerade der Pragmatismus, der als Gegenstück zum verblendeten Fanatismus des deutschen (oder japanischen) Gegners hervorgehoben wurde, machte den Unterschied.

Die Botschaft war: Unsere Soldaten siegen, weil hier Amerika kämpft. Weil sich unterschiedliche Kulturen und Klassen zusammenraufen, improvisieren, Zivilcourage zeigen und schliesslich gemeinsam einen Feind niederringen, der nur den Ausnahmezustand kennt und roboterhaft für Volk, Führer und Rassenhygiene tötet.

«Why We fight»

Zweitweltkriegsfilme befanden sich lange in der Auslage jedes Hollywood-Studios. Vor allem, als nach dem Kreuzzug gegen Nazideutschland Amerikas Kriege immer schmutziger wurden: Statt hochgerüstete Herrenmenschen bekämpfte man nun mausarme Bauern und Guerilla-Krieger. In der Folge griff man gerne auf den «guten Krieg» zurück, auf jene Zeit, als die Bürger der USA noch wussten, «Why We Fight», wie der Titel einer oscarprämierten Dokumentarfilmreihe aus den Kriegsjahren lautet.

Programmhinweis

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«Gesprengte Ketten» (The Great Escape, USA 1963) von John Sturges mit Steve McQueen, James Garner, Richard Attenborough, Charles Bronson u.a.

SRF1, 30. August, 0.05 Uhr.

Wie dieser «gute Krieg» funktioniert, zeigt «Gesprengte Ketten» von 1963. In einem Wehrmachtlager planen alliierte Kriegsgefangene den Ausbruch. Gegen die Deutschen hilft den Männern in erster Linie die Fähigkeit, Differenzen zu überwinden und individuelles Können zum Vorteil aller zu verbinden. Dazu kommen das Glück des Tüchtigen und ein unbeugsamer Wille. Bestens verkörpert wird dieser von Steve McQueen als «The Cooler King», jenem Gefangenen, der die Bunkerhaft mit stoischer Gelassenheit erträgt, bis ihm endlich, nach einem tollkühnen Motorradsprung Richtung Schweizer Grenze, die Herzen aller zufliegen.

Rollenwechsel

In den 90er-Jahren, mit Einsätzen im zerfallenden Jugoslawien, in Somalia und im Irak, wurde es zunehmend schwierig, Filme über die neuen Kampfmissionen mit den alten Zweitweltkriegs-Rollenmodellen auszupolstern. Der perfekt organisierte Goliath mit dem grandiosen High-Tech-Arsenal war man nun selbst. Der improvisierende David, das war jetzt der Feind in einem Krieg, den man neu «asymmetrisch» nannte, denn die Symmetrie – Heer gegen Heer – war weg. Man intervenierte in Ländern, deren staatliche Struktur zerfiel und die entsprechend kaum noch über eine reguläre Armee verfügten. Stattdessen überall Zivilisten, die potenziell immer auch Gegner sein konnten.

Drohnenkriege

Tom Cruise in Fliegeruniform und hochgestrecktem Daumen im Cockpit eines Kampfjets
Legende: Eine neue Richtung für den Kriegsfilm: Tom Cruise als «Maverick» in «Top Gun». Paramount Pictures

1986 wies «Top Gun» dem neueren Hollywood-Kriegsfilm die Richtung. Mit den Sowjets hatte man da noch einen anständigen Gegner, gegen den die Über-Piloten von US-Kampfjets eingesetzt werden konnten. Doch seit sich mit Drohnen ohne mitfliegende Piloten (das heisst: ohne potenzielle Heldensaga) kostengünstiger Kriege führen lassen, ist man auf der Suche nach neuen Sympathieträgern. Mit ihnen soll dem Publikum die Mission des Westens wieder besser verkauft werden; besser als mit Drohnen, chirurgischen Cruise-Missile-Schlägen oder geisterhaften Spezial-Truppen, die bei Nacht und Nebel einfallen um danach umgehend wieder abzuhauen und die Einheimischen in ihrem Elend zurückzulassen.

Zivilcourage wagen

In den USA der Obama-Präsidentschaft stellt man deshalb gerne wieder Nichtmilitärs ins Zentrum von Kriegsfilmen. Zwar gilt der engagierte Zivilist in scheiternden Staaten längst nicht mehr als unbestechlicher Freiheitsbringer, sondern in erster Linie als Repräsentant einer Nation, eines Systems, einer Firma, einer Religion. Doch zumindest vermittelt dieser Typ etwas Rest-Idealismus und «Human Touch».

So raufen sich beispielsweise im letztjährigen Oscar-Abräumer «Argo» im revolutionären Iran 1979 ein paar geflüchtete US-Botschaftsangehörige zusammen, um unter Anleitung eines unorthodox agierenden Agenten einen wenig regelkonformen Fluchtplan umzusetzen. Oder es ist wie in Kathryn Bigelows «Zero Dark Thirty» eine Analystin, die ihre Werte hochzuhalten versucht. Dabei führt sie einen letztlich selbstzerstörerischen Kampf gegen Djihadisten, aber auch gegen Militär-Bürokraten, Politik und den Geheimdienst der eigenen Seite.

Rückzugsgefechte

Filmszene: Tom Hanks als Schiffskapitän zwischen zwei Piraten. Einer richtet sein Gewehr auf ihn.
Legende: Tom Hanks als «Captain Phillips» im Kampf mit somalischen Piraten. Sony Pictures

Auch Tom Hanks gehört in seinem neusten Film «Captain Phillips» (ab November im Kino) zu diesem Typus. Die fleischgewordene Zivilcourage spielt hier den alternden US-Captain eines Frachtschiffes, das vor der Küste Afrikas von somalischen Piraten angegriffen wird. Er weist seine Crew an, zu improvisieren und die Freibeuter mit allen Mitteln bis zum Eintreffen von US-Spezialtruppen hinzuhalten. Konfrontiert mit den Gründen der Somalis, ihren Lebensunterhalt mit Piraterie bestreiten zu müssen, wird Hanks später doch noch ins Grübeln kommen.

Der Triumph von Captain Phillips hat einen schalen Beigeschmack und zeigt vor allem eines: Die Botschafter von Demokratie und Freiheit liefern nur noch Rückzugsgefechte. Und weil sich Verlierer auf die Dauer nicht gut verkaufen, wird sich die Traumfabrik wohl bald wieder vollumfänglich der Faszination der Präzision zuwenden, mit der sich Spezialtruppen in diesem Krieg zu Tode siegen.

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