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Elodie Brunner: «Eine Goldene Palme wäre natürlich toll»
Aus Kultur Extras vom 20.05.2014.
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Cannes 2014 Speeddating für Filmproduzenten: So fördert Cannes den Nachwuchs

Speeddating in Cannes: Da geht es nicht um den heissen Flirt, sondern um Geld und Partner fürs nächste Projekt. Die europäischen Nachwuchs-Produzenten tauschen sich aus, das hat Tradition. Diesmal mit dabei: die Schweizer Produzentin Elodie Brunner.

Elodie Brunner strahlt für das Gruppenfoto. Sie ist eine von 24 Nachwuchsproduzenten, die in Cannes für einmal selbst vor der Kamera stehen und posieren. Sie kommen aus ganz Europa an die Côte d'Azur, um am Programm «Producer on the Move» teilzunehmen. Brunner strahlt aber nicht nur fürs Foto. Die 33-jährige Westschweizerin freut sich über die Gelegenheit, in Cannes junge Produzenten aus ganz Europa kennenzulernen, etwas von ihren Projekten zu erfahren und auch darauf, die eigenen Projekte zu pitchen.

Die Kunst des Pitchens

Das neudeutsche Wort Pitchen ist beliebt unter Produzenten und bedeutet: eine Filmidee verkaufen, um potenzielle Finanz- und Produktionspartner zu finden. Der Pitch muss nicht nur gut, sondern vor allem auch kurz sein. Diese ist eine Kunst und will gelernt sein – wie auch die Kunst, die richtigen Kontakte zu knüpfen. Und wer noch auf dem ersten Drittel der Marathonstrecke ist, kann dabei Unterstützung gebrauchen.

Hier setzt «European for Promotion» (EFP) an. Der Verein organisiert auf internationalen Festivals verschiedene Treffen für europäische Talente, um sie zu unterstützen – aber auch, um ihnen Aufmerksamkeit zu verschaffen. In Berlin beispielsweise bringt EFP unter dem Titel «Shootingstars» junge Schauspieler zusammen. Das Produzenten-Treffen in Cannes gibt es seit 15 Jahren.

Steiler Einstieg

Nach dem Fotoshooting auf der sonnigen Terrasse des Luxushotels geht es in den Konferenzraum des Majestic Barrière an der Croisette. Ein nüchternes Zimmer, in das sich kaum ein Sonnenstrahl verirrt und in dem man schnell vergisst, dass man am Mittelmeer weilt. Die Tische bilden einen Kreis. Nach einem ungezwungen Kennenlern-Essen am Abend zuvor stellen sich die Teilnehmer erneut der Reihe nach vor.

Elodie Brunner berichtet den europäischen Kollegen von ihrer Firma «Box Production», die in Lausanne ihren Sitz hat. Sie skizziert ausgesprochen professionell die kommenden Projekte und mit welchen Ländern sie bereits für Koproduktionen zusammengearbeitet hat. Brunner stammt aus Morges, zum ersten Mal arbeitete sie 2007 als Produktionsassistentin beim Film «Home» von Ursula Meier. Ein steiler Einstieg: «Home» feierte 2008 in Cannes seine Premiere in der Sektion «Un Certain Regard».

Die Teilnehmer möchten von Brunner wissen, ob die Abstimmung vom neunten Februar zur Einwanderungsbeschränkung Konsequenzen für ihre Arbeit habe, da die Schweiz nicht mehr beim europäischen Finanzierungsprogramm «Media» teilnehmen kann. Brunner erklärt, dass das Bundesamt für Kultur zugesagt habe, die finanziellen Einbussen für Produzenten zu kompensieren. Die zehn Minuten sind um – jetzt stellt sich bereits die spanische Vertreterin vor.

Keine Ehe, keine Kinder

Nach der Mittagspause stehen die Tische in Reihen. Auf roten Schildern prangen goldfarbene Zahlen. Neben jedem Tisch steht ein solches Schild an einer Stange befestigt. Die Nachwuchsproduzenten sitzen sich nun jeweils zu zweit gegenüber. Der Raum ist von gedämpften Gesprächen erfüllt. An einem Tisch mit Wasser, Kaffee und Zimtschnecken steht EFP-Projektleiter Jo Mühlberger mit der Stoppuhr. Nach fünf Minuten läutet er ein Glöckchen, gibt die Rundennummer durch und die Produzenten wechseln die Tische und somit den Gesprächspartner. Sie wissen genau wohin, die Schilder weisen ihnen den Platz.

Die Produzenten posieren für ein Foto.
Legende: Keine Singlebörse, sondern Pitching: Das Produzententreffen. SRF / Annette Scharnberg

Von aussen betrachtet wähnt man sich zunächst an einem Speeddating für Singles. Ob aus einem «Producer on the Move»-Jahrgang Ehen oder gar Kinder entstanden sind, sei ihm nicht bekannt, sagt Mühlberger lachend. Aber anhaltende geschäftliche Verbindungen gibt es, «und darum geht es hier ja». Mühlberger ist von der ersten Stunde beim EFP dabei. Von Haus aus Soziologe, beobachtet er den Nachwuchs beim 1:1-Pitching genau. «Das ist ein sehr gutes Jahr», erklärt Mühlberger. «Die geladenen Produzenten sind alle auf einem hohen Niveau. Allein, dass sie sich beim Speeddating zu Beginn die Hand geben, obwohl sie sich schon den ganzen Tag gesehen haben, zeugt von Professionalität.»

Die mit Dauermurmeln unterlegte Geschäftigkeit beeindruckt in der Tat. Die Ernsthaftigkeit, mit der die jungen Teilnehmer die kurze Zeit nutzen, um sich gegenseitig von ihren Projekten zu erzählen, straft den ersten Eindruck, man sei an einer Singlebörse, Lügen.

Anstossen auf ein neues Projekt?

Zwei Tage verbringen die Produzenten gemeinsam. Zum Abschluss wird auf der Yacht, die der Fernsehsender Arte hier in Cannes alljährlich für Veranstaltungen mietet, angestossen. Elodie Brunner lächelt immer noch. Sie ist zufrieden, hat 23 Visitenkarten mehr in der Tasche und vielleicht schon einen weiteren Koproduktionspartner für das nächste Projekt.

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