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Kinostart: «Cherchez la femme»
Aus Kultur Extras vom 10.01.2018.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 12 Sekunden.
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«Cherchez la femme» Wenn Männer plötzlich Burka tragen

Kulturknatsch-Komödie: Regisseurin Sou Abadi mokiert sich über religiösen Fanatismus – mit viel Fingerspitzengefühl.

Armand und seine Freundin Leila studieren zusammen an einer Pariser Elite-Uni und bereiten sich darauf vor, ihre Traum-Praktika bei der UNO in New York zu beginnen.

Dieses Vorhaben gerät in Gefahr, als Leilas grosser Bruder Mahmoud von einem längeren Aufenthalt im Jemen zurückkehrt. Dort hat sich seine Einstellung zum Islam drastisch verändert.

Plötzlich Fundamentalist

Das bekommen vor allem seine Geschwister zu spüren, deren liberaler Lebenswandel Mahmoud neuerdings widerstrebt.

Armand und Leila küssen sich und werden dabei von Mahmouds Freunden beobachtet.
Legende: Mit der trauten Zweisamkeit ist es schnell vorbei für Armand und Leila. FRENETIC FILMS

Nicht einmal mehr das Poster zum Film-Klassiker «La dolce vita», das Anita Ekberg in lasziver Pose zeigt, duldet er im Wohnzimmer – obwohl es der verstorbenen Mutter gehört hatte.

Seinen kleinen Bruder Sinna will er für einige Monate in den Jemen schicken, damit er lernt, «ein guter Muslim zu werden.» Leila sperrt er sogar ein, um zu verhindern, dass sie sich weiterhin mit Armand trifft.

Um seine Freundin weiterhin sehen zu können, muss sich Armand etwas einfallen lassen. Als ihm vor Leilas Wohnsiedlung eine Frau mit Burka begegnet, glaubt er, die Lösung vor sich zu haben:

Komplett verschleiert gibt er sich als Shéhérazade aus – eine tiefgläubige junge Muslimin, die sich bei Mahmoud erkundigt, ob Leila ihr Französischnachhilfe geben könnte.

Mahmoud ist begeistert von der Idee – und mit der Zeit auch von Shéhérazade. So sehr, dass er um ihre Hand anhalten will.

Armand probiert in einem Laden Handschuhe an, die zur Burka passen sollen.
Legende: Sucht die passenden Handschuhe zur Burka: Armand. FRENETIC FILMS

«Cherchez la femme» lässt sich nur bedingt mit den unzähligen Kulturknatsch-Komödien («Monsieur Claude und seine Töchter» etwa) in eine Schublade stecken, die das französische Kino in den letzten Jahren produziert hat.

Viel Fingerspitzengefühl

Denn Regisseurin und Drehbuchautorin Sou Abadi beweist mit ihrem ersten Spielfilm ein Fingerspitzengefühl, das die meisten Filme des Culture-Clash-Kinos oft schmerzlich vermissen lassen.

Wenn Leila und Sinna schockiert sind von der Radikalisierung ihres grossen Bruders, illustriert Abadi glaubwürdig, weshalb dies der Fall ist. Aber auch mit der Figur des Mahmoud geht sie empathisch um. Einfache Schwarz-Weiss-Malerei gibt es nicht.

Weniger Tiefe besitzt die Komik des Films – was angesichts der klassischen Mann-verkleidet-sich-als-Frau-Formel nicht weiter erstaunlich ist. Im Wechselspiel mit den ruhigeren Tönen, die regelmässig angeschlagen werden, sorgt das aber für den ein oder anderen holprigen Stimmungswechsel.

Es sei «Cherchez la femme» verziehen – allein schon, weil sich die Komödie nicht bequem irgendwelcher Klischees bedient.

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