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Oscar Isaac: «Coen-Filme sind witzig und schmerzhaft zugleich»
Aus Kultur Extras vom 04.12.2013.
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Film & Serien Die Begeisterung der Coen-Brüder für Musik und den Epochenfilm

«Inside Llewyn Davis», der neue Film der Coen-Brüder, spielt in der New Yorker Folk-Musik-Szene der frühen 1960er-Jahre. Einmal mehr widmen sich die Brüder liebevoll einer Epoche, auch wenn der Hauptdarsteller alles andere als liebenswert erscheint.

«Inside Llewyn Davis» spielt in der Folk Szene von Greenwich Village, 1961, kurz bevor Bob Dylan auftaucht und das Folk Revival zum Big Business wird. Es ist nicht der erste Film der Coen Brüder, der sich der amerikanischen Folk-Musik-Szene nähert. «O Brother, Where Art Thou?» mit George Clooney löste 2000 mit seinem Soundtrack ein eigentliches Folk-Revival-Revival aus.

Früher war alles besser...

Die liebevolle Rekonstruktion einer Zeit ist bei beiden Filmen zentral, «O Brother, Where Art Thou?» führt uns ins ländliche Mississipi-Gebiet von 1937. Auch «Barton Fink», die Geschichte eines Schriftstellers im Hollywood der 1940er-Jahre, lebt von der Einbettung in eine Epoche. Die spürbare Begeisterung für Zeiten, in denen die Filme spielen, lässt den Schluss zu, dass die 1954 und 1957 geborenen Brüder ihre Filme als persönliche Zeitmaschinen einsetzen.

Sie seien tatsächlich zu jung, um eigene Erinnerungen an diese Zeiten zu haben, sagt Joel Coen im Interview. Ihre Begeisterung habe weniger mit Nostalgie zu tun als mit einem generellen Vergnügen an Kostümfilmen.

Nostalgie spiele sicher mit, ergänzt Ethan Coen. Allerdings sei das keine warme, weiche Nostalgie. Wie Woody Allen schon gesagt hat: Früher war wohl alles besser, aber dafür gab es keine Schmerzmittel. So kommt es, dass den Figuren in diesen liebevoll rekonstruierten historischen Perioden durchaus böse Dinge passierten.

Bösartiger Trick mit dem Publikum

Das gilt auch für den Helden ihres neuesten Films. Llewyn Davis hat vor allem ein Problem: «Er verachtet alle und jeden um sich herum», sagt Ethan Coen. Die Musik seines Kollegen Troy Nelson hält Davis für zu süsslich. Er hegt, wohl mehr aus persönlichen Gründen, einen Groll gegenüber dem authentischeren Folksänger der am Ende des Films auftaucht. Und er hat nur Verachtung übrig für die poppigen Kollegen im Studio.

Dies wiederum nutzen die Coen Brüder für einen fast schon bösartigen Trick im Film: Sie lassen Sänger Justin Timberlake und Oscar Isaac als Llewyn Davis ein kommerzielles Pop-Stück einspielen, arrangiert vom grossartigen T-Bone Burnett. Ein umwerfendes Stück, bei dem man im Kinosaal unweigerlich mit dem Fuss mitwippt, gleich darauf aber verschämt aufhört, wenn Llewyn Davis auf der Leinwand erbarmungslos über diesen Kommerzmist herzieht.

Oscar Isaac - der Glücksfall

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Joel, Ethan und Michael
00:45 min
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Aber genau so sei es doch, sagt Ethan Coen: «Einerseits sind solche Performances grossartig, aber zugleich sind sie auch irgendwie schrecklich.» Generell werfe der Film einen liebe- und respektvollen Blick auf die Musik. Auch auf die Folk-Musik, die in den 60er-Jahren ja geprägt gewesen sei von dieser grossen, tiefen Ernsthaftigkeit. Was durchaus auch etwas Komisches hatte, wie Ethan Coen findet: «Man kann Folk-Musik gar nicht parodieren, weil sie grundsätzlich etwas parodistisches an sich hat.»

Im Film spricht Llewyn Davis über alles Mögliche, aber nie über seine Musik. Die macht er einfach. Mit Absicht, erläutert Joel Coen: «Bei einem Film über einen Musiker lässt man lieber die Musik sprechen als den Schauspieler.» Deshalb sei es auch ein Glücksfall gewesen, dass sie mit Oscar Isaac einen Schauspieler gefunden hätten, der auch Musiker sei.

Lächeln auf den Lippen und Songs im Herzen

Da gibt es nun in der Tat überhaupt nichts ausser Staunen: Was Oscar Isaac als Llewyn Davis musikalisch bietet, ist eindrücklich. Er wirkt im Film weder wie ein schauspielender Musiker noch wie ein musizierender Schauspieler – er ist ganz einfach Llewyn Davis.

Das sei im Übrigen auch etwas, was Profimusiker auszeichne, sagt Ethan Coen, sie hielten ihr Handwerk für selbstverständlich. Genau darum geht es im Film «Inside Llewyn Davis»: Handwerk und eine Ahnung von Kunst ergänzen sich zu etwas Grösserem. «Für echte Filmemacher wie für echte Musiker gilt eine eiserne Regel», so Ethan Coen. «Man muss es richtig machen, selbst dann, wenn man das Gefühl hat eigentlich darüber zu stehen.»

Und richtig gemacht haben es Joel und Ethan Coen mit «Inside Llewyn Davis» wieder einmal so sehr, dass man das Kino mit einem Lächeln auf den Lippen und etlichen seltsamen neuen Songs im Herzen verlässt.

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