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Keine 3 Minuten: «Der Hundertjährige, der aus dem Fenster...
Aus Kultur Extras vom 19.03.2014.
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Film & Serien Ein vitaler Greis macht sich vom Acker

«Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand» ist eine schwedische Erfolgsstory sondergleichen. Über sechs Millionen Exemplare wurden von Jonas Jonassons Debütroman weltweit abgesetzt. Von der filmischen Umsetzung seines Bestsellers war Jonasson aber zunächst regelrecht entsetzt.

Auf die Essenz runtergekocht, unterscheiden sich Film und Buch kaum: Statt im Altersheim zu vergammeln, macht Allan Karlsson an seinem hundertsten Geburtstag die Fliege. Während der Flucht erfahren wir in Rückblenden die Eckpunkte seiner turbulenten Lebensgeschichte: Mit viel Reisefreude und wenig politischem Bewusstsein gesegnet, kommt Sprengstoff-Experte Allan mit diversen Diktatoren in Kontakt.

Nicht alle haben es in den Film geschafft. General Franco und Genosse Stalin zum Beispiel schon, Chiang Kai-shek und Mao Zedong dagegen nicht. Gleich wie im Buch ist die Unbekümmertheit, mit der Allan durch die Weltgeschichte stolpert. Als naiver Sympathieträger mit grossem historischem Einfluss ähnelt der «Hundertjährige» stark «Forrest Gump», Hollywoods beliebtestem Mehr-Glück-als-Verstand-Helden.

Das stärkste Zitat

Die Hauptfigur Allan versucht einen Neonazi mit einem Krocket-Schläger niederzuschlagen.
Legende: Allan ist immer für eine Überraschung gut. Ascot Elite

«Das Nirgendwo wird häufig unterschätzt.» (Der trampende Hundertjährige verblüfft den Fahrer mit dem unbestimmten Zielort seiner Reise. In seiner einfachen Schlüssigkeit klingt Allans naiver Satz fast philosophisch: Nicht der Weg, sondern die Flucht ist das Ziel.)

Fakten, die man wissen sollte

Bestseller-Autor Jonas Jonasson liess Regisseur Felix Herngren bei der Verfilmung des «Hundertjährigen» freie Hand. Das Ergebnis schaute er sich dann eine Woche vor der Kino-Premiere in Schweden an. Die erste Reaktion: blankes Entsetzen. Herngrens Kürzungen machten Jonasson schwer zu schaffen. Jede fehlende Seitengeschichte, jede einzelne Retusche am Dialog schmerzte den Schriftsteller.

Aus seiner Schockstarre lösen konnte sich Jonasson erst bei der zweiten Sichtung, die unmittelbar nach der ersten erfolgte. Unter Einhaltung der richtigen emotionalen Distanz ist der Film eigentlich ganz gut zu ertragen, meinte er danach erleichtert. Um sicher zu sein, schaute er sich das Leinwandwerk daraufhin gleich noch einmal an. Und siehe da: Auf den dritten Blick sah der Film sogar in Jonassons Augen richtig gut aus.

Der Hauptdarsteller

Schauspieler Robert Gustafsson in geblümtem Hemd mit Handtuch über dem Arm.
Legende: Robert Gustafsson ist 50 und spielt Allan, der ist 100. Ascot Elite

Verkörpert wird der Hundertjährige vom schwedischen Komiker Robert Gustafsson, der gerade einmal halb so alt ist (50). Wieso ein solch junger Schauspieler? Weil Regisseur Felix Herngren Wert darauf legte, dass die Rückblenden vom selben Darsteller gespielt werden. Einen Fünfzigjährigen älter zu machen, war schlicht einfacher, als einen Achtzigjährigen jung zu schminken.

Leicht war die Verwandlung dennoch nicht. Felix Herngren schickte seinen Hauptdarsteller täglich fünf Stunden in die Maske. Robert Gustafssons Arbeitstag begann daher meist schon um halb vier Uhr morgens. Und das war nicht einmal das Schlimmste. Da sein Schweiss nicht ablaufen konnte, bekam Gustafsson hässliche Ausschläge im Gesicht, die noch heute zu sehen sind.

Das Urteil

Wer den Humor von Jonas Jonassons Schelmenroman mag, wird auch im Kino am «Hundertjährigen» seinen Spass haben. Allans Streifzüge durch die vergangenen Jahrzehnte wurden mit grossem Aufwand in Szene gesetzt. Dass der Film trotzdem nicht wie ein Hollywood-Streifen wirkt, liegt an seinem skandinavisch-schroffen Charme, der in der deutschen Synchronfassung leider etwas verloren geht.

Den herrlich beiläufigen Plauderton – die grosse Stärke des Romans – konnte Regisseur Felix Herngren aber glücklicherweise bewahren. Allans Lakonie wurde perfekt auf die Leinwand übertragen und ist für manchen Schmunzler gut. Zum Beispiel, wenn er dem zornigen Verbrecherboss am Telefon seelenruhig klarmacht: «Wenn Sie mich umbringen wollen, müssen Sie sich beeilen. Schliesslich bin ich schon hundert Jahre alt.»

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