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Der Auftakt der diesjährigen Filmfestspiele war blutig
Aus Kultur-Aktualität vom 18.05.2022. Bild: COUPEZ !
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Eröffnungsfilm in Cannes Zombiefilm «Coupez!»: In Cannes ist die Hölle los

Der Eröffnungsfilm von Cannes ist eine blutig-trashige Liebeserklärung an das Filmemachen. Dahinter steht der Macher des Oscar-Gewinners «The Artist».

Zombies eröffnen dieses Jahr das grösste Filmfestival der Welt. Das hat schon seine Richtigkeit, wenn der Meister der OSS 117-James-Bond-Parodien dahintersteckt.

Schliesslich hat Hazanavicius mit seiner Stummfilmhommage «The Artist» vor genau elf Jahren hier in Cannes endgültig bewiesen, dass Parodien die schönsten Liebeserklärungen sind. Jedenfalls im Kino.

Einen Oscar wie mit «The Artist» wird er diesmal nicht gewinnen. Aber die Herzen aller Kinofans, für die Genre- und Trash-Filme zum Kino gehören wie Leber und Milz zum menschlichen Körper.

Ohrfeigen für einen Untoten

In den ersten Sekunden von «Coupez!» greift Finnegan Oldfield mit grüngeschminktem Zombie-Gesicht nach einer kreischenden Matilda Anna Ingrid Lutz. Die erinnert den Untoten daran, dass sie es doch sei und sie ihn liebe, «c’est moi, je t’aime» – da beisst er zu.

Blutverschmierte Menschen werden gefilmt.
Legende: Cannes holt B-Movies auf die Leinwand: Der französische Regisseur Michel Hazanavicius lässt das Blut an der Côte d’Azur spritzen. JMH

Dann greift Regisseur Rémi (Romain Duris) ein, staucht die Darstellerin für ihr unglaubwürdiges Weinen heftig zusammen und klatscht dem beschwichtigend eingreifenden Zombie-Darsteller eine heftige Ohrfeige ins Gesicht.

Grottig guter Anfang

Die Zuschauerinnen und Zuschauer wohnen in «Coupez!» den Dreharbeiten eines ziemlich miesen Zombie-Filmes bei. Der Regisseur ist offensichtlich ein Verrückter. Und die von Bérénice Béjo gespielte Darstellerin hat ihre Krav-Maga-Übungen nicht unter Kontrolle und schlägt alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt.

Nach einer halben Stunde hat die Hauptdarstellerin den durchgeknallten Regisseur mit einer Axt zu Hackfleisch zerkleinert. Der Mord geschieht auf einer Treppe, sodass jeder Axtschlag mit einer Blutfontäne ins Bild endet, ohne direkten Blick auf das Opfer.

Ein Mann mit Axt
Legende: Die Komödie spielt in einer stillgelegten Fabrik. Dabei gerät der Dreh des Low-Budget-Zombiefilms zunehmend aus dem Ruder. JMH

Und dann – man ist dankbar, dass der Schrott ein Ende gefunden hat – wird die Vorgeschichte des Drehs erzählt.

Komplett überfordertes Drehteam

Wir lernen den netten, routinierten Regisseur und seine Familie kennen. Wir treffen seinen Produzenten und die japanische Auftraggeberin, die mit dem Skript für einen halbstündigen One-Take-Zombie-Film und dessen Finanzierung angereist ist.

Wir erleben, wie das unwahrscheinliche Projekt zustande kommt. Was an schauspielerischen Eitelkeiten und produzentenabhängigen Kompromissen dahintersteckt. Bis schliesslich die Dreharbeiten beginnen.

Nun kommt Hazanavicius’ Sinn für Ironie und Timing perfekt zur Geltung. Denn dieses Mal erleben wir die erste halbe Stunde aus der Sicht des komplett überforderten Drehteams.

Liebeserklärung ans Filmemachen

Jetzt wird klar, wie und warum die dilettantischen Dialoge improvisiert werden mussten, wie das funktioniert mit den Blutfontänen, und auch, warum die Kamera den Darstellern nicht mehr folgen konnte.

Auf einmal entpuppt sich «Coupez!» als hochpräzise, raffiniert komponierte und auch technisch beeindruckende Liebeserklärung an das filmische Handwerk, mit einem gekonnt unterlegten familiären Liebesbogen. Der mündet in ein Fotofinish, das zu Tränen rührt.

Der Film ist das Remake eines japanischen Films, was Hazanavicius mit der Übernahme der japanischen Namen und der Auftraggeberin geschickt integriert.

Weg mit dem «Z»

Der Originaltitel des Films lautete bis kurz vor Festivalbeginn in Cannes noch «Z» – als Anspielung auf den französischen Ausdruck für jene Art Film, welche die billigen B-Pictures ganz am Ende des Alphabets unterbietet.

Mit Putins Überfall auf die Ukraine hat der Buchstabe «Z» bei den russischen Invasoren und ihren Anhängern allerdings ein finsteres Eigenleben als neues Hakenkreuz entwickelt. Darum hat der Regisseur den Film kurzerhand umbenannt in das malerisch zu verstehende «Coupez!», «Final Cut!».

Es ist kein grosser Film, der das 75. Festival de Cannes eröffnet hat. Dafür aber eine grosse Liebeserklärung ans Kino.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 18.05.2022, 07:06 Uhr

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