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«Boreg» – Rollentausch einer Palästinenserin und einer Israelin
Aus Kulturplatz vom 01.10.2014.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 6 Sekunden.
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Filmfestival Zürich Leiden ist für Israelis und Palästinenser dasselbe

«Boreg» ist ein berührender Film über den irrwitzigen Rollentausch einer Israelin mit einer Palästinenserin. Die Regisseurin Shira Geffen zeigt den Nahostkonflikt mit surrealer Fantasie und schwarzem Humor – und führt ihn damit ad absurdum.

Der Film «Boreg» beginnt mit einem plötzlichen Sturz aus dem Bett: Die israelische Künstlerin Michal verliert dabei ihr Gedächtnis und ihre Identität. Im Verlaufe des Films versucht sie herauszufinden, wer sie wirklich ist. Zunächst aber muss ein neues Bett her. Michal bestellt bei einer Möbelfirma eines zum selber Zusammenbauen. Eine Schraube – hebräisch «Boreg» – fehlt.

Sie ruft in der Möbelfirma an. Ihre Klage beim Management führt dazu, dass die Palästinenserin Nadine, die die entsprechenden Schrauben verpackt, fristlos entlassen wird. Das ist der erste Berührungspunkt. Im Lauf der Geschichte werden sich die Israelin und die Palästinenserin durch Zufall immer näher kommen. In den zwei Frauen stecke viel von ihr selbst, sagt die Regisseurin Shira Geffen: «Beide Frauen bin ich – meine Gefühle und meine Fantasie sind den ihren sehr ähnlich.»

Identitätssuche als surreales Märchen

Palästinenserin und Jüdin zusammen vor einer Mauer sitzend.
Legende: Zwei Frauen auf Identitätssuche begegnen sich wegen einer fehlenden Schraube. SRF

Die 43-jährige Shira Geffen erzählt von der Identitätssuche der beiden Frauen – verpackt als surreales Märchen, mit absurdem Humor und in verführerisch schönen Bildern.

Doch sie zeigt auch die harte Realität im gewalttätigen Konflikt. Der Film wechselt in raffinierter Parallelmontage zwischen der arabisch-palästinensischen und der jüdisch-israelischen Lebenswelt hin und her.

Filmhinweis

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«Boreg» läuft bis zum 5. Oktober 2014 auf dem Zurich Film Festival.

Dabei beeindruckt das Schicksal der Palästinenserin Nadine besonders: Sie lebt in einem Flüchtlingslager und muss täglich israelische Checkpoints passieren. Hier muss sie stundenlange Wartezeiten und Demütigungen erdulden. Die israelischen Grenzposten auf der anderen Seite sind oft sehr jung und unerfahren und wissen nicht, was sie dort eigentlich sollen.

Die oft prekäre und traurige Situation an den Grenzposten kennt die Regisseurin selber gut. Sie beobachtete die Geschehnisse an den Kontrollposten – tagelang. Sie erinnert sich: «In dem Moment, in dem ich mit eigenen Augen sah, was da passierte, schwor ich mir, nicht mehr länger zu schweigen. Ich beschloss, meine Erlebnisse in meinem nächsten Film zu verwenden – wie auch immer.»

Ein klares politisches Zeichen

Shira Geffen und ihr Mann und Ko-Autor Etgar Keret 2007 in Cannes als sie die Goldene Kamera für «Meduzot» gewannen.
Legende: Shira Geffen und ihr Mann und Ko-Autor Etgar Keret 2007 in Cannes als sie die Goldene Kamera für «Meduzot» gewannen. Reuters

Shira Geffen wurde das politische Engagement in die Wiege gelegt: Der Vater ist ein bekannter Journalist und Autor, die Mutter eine Fernsehproduzentin, der Bruder ein berühmter Sänger und Friedensaktivist.

Die Regisseurin bewundert ihren Vater für seinen Mut: «Er sagt immer, was er fühlt und denkt, auch wenn es unpopulär ist. Und er gibt niemals auf. Das alles habe ich von ihm gelernt.»

Verheiratet ist Shira Geffen mit Etgar Keret. Der Autor setzt sich seit langem für den Frieden zwischen Israel und Palästina ein. Letzten Juli setzte die Filmemacherin am Jerusalem Filmfestival selber ein Zeichen. Vor der Premiere von «Boreg» protestierte sie mit anderen Regisseuren gegen die israelische Politik. Sie forderte eine Schweigeminute für die getöteten Kinder in Gaza.

Film führt den Konflikt ad absurdum

Die Aktion hatte Folgen: «Die Reaktionen auf mein Engagement für den Frieden waren extrem», klagt Shira Geffen, «es gab Drohungen und Verwünschungen. Das war wirklich beängstigend. Und es kam von den Israelis.»

Am Ende lässt «Boreg» die Palästinenserin und die Israelin auf bizarre Art und unfreiwillig ihre Rollen und Identitäten tauschen – und führt so den Konflikt der beiden Bevölkerungsgruppen ad absurdum. «Wenn wir verstehen, dass mein Leiden dasselbe ist wie dein Leiden», so Geffen, «dann wird die Situation besser werden in Israel».

Gegenseitiges Verständnis als Ausweg aus der verfahrenen Situation: Shira Geffens Film macht Hoffnung – ein bisschen.

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