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«Kids» – Animierte Erkundung von Gruppendynamik – Ein Experiment
Aus CH:Filmszene vom 05.09.2019.
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Game «Kids» Ein Spiel wie ein verrückter Trickfilm

Das Schweizer Multimedia-Projekt «Kids» besteht aus einem Game und einem Kurzfilm. Den Spieler schleudert es in überraschende Welten.

Eine gesichtslose Figur ist vom Himmel heruntergeplumpst und liegt regungslos auf einer endlosen, weissen Fläche. Als ich sie mit meinem Mauszeiger anstupse, richtet sie sich langsam auf und eilt davon.

Doch gleich nachdem sie aus dem Bild verschwunden ist, fällt sie wieder von oben herunter und landet an der gleichen Stelle.

Ein Spiel ohne Ziel

Zu gewinnen gibt es im Schweizer Game «Kids» nichts, eine Geschichte wird nicht erzählt. Und was ich als Spieler tun soll, ist anfangs völlig schleierhaft. Ist das wirklich ein Game oder eher ein Kurzfilm?

Michael Frei, der «Kids» zusammen mit Mario von Rickenbach entwickelt hat, nennt es eine «interaktive Animation»: «‹Kids› ist näher an einem animierten Kurzfilm als an einem gewöhnlichen Game», sagt er.

Eine Person steht vor einer Leinwand, auf der gezeichnete Figuren herumrennen.
Legende: Vergangenes Jahr wurde «Kids» als Ausstellung im Museum of Digital Arts in Zürich gezeigt. MuDA Zurich

Ein Game für Nicht-Gamer

Wirklich beeinflussen kann der Spieler das Geschehen von «Kids» nicht. Die Dinge nehmen ihren vorgegebenen Lauf. Als Spieler löse ich die Ereignisse bloss aus.

Wie das vom Himmel gefallene Figürchen bin auch ich hineingeworfen in wechselnde Szenen. «Der Zuschauer soll sich auf die Szenerie einlassen», sagt Frei. Man müsse nicht Entscheidungen treffen, sondern mit der Welt interagieren.

Wie das geht, muss jeder selbst herausfinden. Vorwissen braucht es dafür nicht: «Kids» richtet sich explizit auch an Menschen, die sonst keine Computerspiele spielen.

Erfolgreicher Vorläufer

Vor «Kids» haben Frei und von Rickenbach gemeinsam das Projekt «Plug & Play» gemacht, das aus einem Film und einem Spiel besteht. Mit beidem haben sie Preise eingeheimst und internationale Erfolge gefeiert. Daraufhin haben sie eine eigene Firma gegründet, um ein nächstes Projekt in Angriff zu nehmen.

Auch «Kids» besteht wieder aus einem Film und einem Spiel. Anders ist, wie die beiden zueinander stehen. «Bei ‹Plug & Play› war das Spiel eine Adaption des Films. Nun wollten wir von Anfang an beides machen», sagt Frei.

Der Entstehungsprozess sei ein Ping-Pong gewesen zwischen ihm, dem Filmemacher, und von Rickenbach, dem Spieldesigner.

Von der Zeichnung zum Game

Freis handgezeichnete Animationen wurden in eine Spielmechanik integriert. So kann sich die Animation frei im Raum bewegen – die Figuren konnten multipliziert werden und reagieren nun aufeinander. Hinter Film und Spiel steckt die gleiche Technologie.

Zeichnung: Ein einzelnes Strichmännchen alleine in der Mitte, mit etwas Abstand eine grosse Masse gleicher Figuren, die es umgibt.
Legende: Was macht der Einzelne in der Masse? Und was macht die Masse mit ihm? Solche Fragen stellt sich das Multimedia-Projekt «Kids» Playables

Die Vervielfältigung der einzelnen Figur brachte die beiden auf das Thema von «Kids»: Das Verhältnis des Individuums zur Masse. Darum drehen sich all die Situationen, die Frei und von Rickenbach für die Figürchen geschaffen haben.

Mal werden sie von der Masse mitgezogen, mal schwimmen sie gegen den Strom. Mal macht das Kollektiv gutgelaunt die Welle, mal ist es gnadenlos und stürzt einzelne ins Verderben.

Ist das Kunst?

Als «Art Games» werden solche Spiele manchmal bezeichnet. Ein Begriff, der Frei nicht besonders gefällt. «Ob das Spiel Kunst ist oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. Ich selbst weiss nicht so genau, was ein ‹Art Game› sein soll.»

Ob das fertige Produkt nun Kunst ist oder nicht: Künstlerisch war bei «Kids» auf jeden Fall die Herangehensweise. Frei und von Rickenbach nahmen sich Freiheiten, die in der Branche nicht selbstverständlich sind: «Bei Games geht es oft darum, ein Produkt zu machen, mit dem man Geld verdienen muss.» Das habe sie aber nicht interessiert. Stattdessen wollte man experimentieren: «Wir wollten etwas machen, von dem wir selber nicht genau wussten, was dabei herauskommt.»

Da erging es den Spielemachern gleich wie den Spielern: Bei «Kids» weiss man wirklich nie, was als Nächstes passiert.

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