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Film & Serien Hauptsache himmlisch: Die lange Nacht des kurzen Films

«Die lange Nacht der kurzen Filme» bricht wieder an. Und wenn es dunkel wird, schweift der Blick gern gen Himmel. Oh, eine Sternschnuppe! Was wohl da oben abgeht? Manchmal komisch, immer kosmisch: Drei Kurzfilme widmen sich himmlischen Phantastereien.

Die Karman-Linie ist die gedachte Grenze zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltraum. Und Dreh- und Angelpunkt im gleichnamigen Kurzfilm des Briten Oscar Sharp. Es geht um eine normale Familie in einem Londoner Vorort. Eines Tages kann Sarah (Olivia Colman aus «Broadchurch») mit den Füssen den Boden nicht mehr berühren. Ihr Mann und ihre Teenie-Tochter versuchen, sie herunterzuholen. Vergebens: Sarah steigt höher, bis sie mit dem Kopf an der Wohnzimmerdecke klebt.

Unaufhaltsam schwerelos

«The Karman Line» verbindet kontrastierende Elemente, die den Kurzfilm einzigartig und ergreifend machen. Sein Rezept: die Darstellung eines fast übertrieben normalen Familienlebens in sozial-realistischer Ästhetik. Eine der ersten Einstellungen zeigt Sarah, wie sie für ihre übergewichtige Tochter Fish & Chips zubereitet.

Angelehnt an den magischen Realismus fügt Sharp seiner Geschichte eine grosse Prise Fantastik hinzu, die Sarah zum Schweben bringt. Weil er realistische Special Effects verwendet, und die Figuren auf Sarahs Schwerelosigkeit nicht ungläubig reagieren, akzeptieren auch wir als Zuschauer ihren sonderbaren Zustand.

Zentraler Bestandteil dieses ausgeklügelten Gerüsts ist die Hauptmetapher. Sie setzt sich sichtbar aber nicht plump in die Geschichte. Achtung Spoiler: Sharp hat hier seine Idee, eine unheilbare Krankheit, die zum Tod führt, mit dem Bild des In-den-Himmel-Steigens ersetzt. Dank seinem Gespür für Bild und Schnitt funktioniert dieser Mix aus Profanität und übersinnlichem Rätsel.

Auf der Umlaufbahn bis ans Ende?

Wir bleiben im All. «Satelliten im Bauch» («Orbit Ever After»), ein weiterer britisch-irischer Kurzfilm, haut in eine ähnliche Kerbe wie «The Karman Line»: aber mit umgekehrten Vorzeichen.

Fantastisches Setting, normale Probleme: Eine Familie verbringt ihren eintönigen Alltag in einer heruntergekommenen Raumstation. Sohnemann Nigel (Thomas Brodie-Sangster aus «Game of Thrones») muss, angebunden an einem Seil, Weltraumschrott fischen: Er dient als Nahrung. Abgesehen vom Ort und dem Essen haben wir es hier aber mit einer nur allzu gängigen Situation zu tun. Teenager Nigel hat sich verliebt und will mehr vom Leben als seine auf Sicherheit bedachten Eltern.

Auch in dieser Geschichte fliegen Metaphern herum. Kombiniert mit einer gehörigen Portion Slapstick, schrägen Requisiten und kantigen Schauspielern wird «Satelliten im Bauch» zu einem Anti-Romance-Family-Science-Fiction-Vergnügen.

Aliens in Bukarest

Als dritter Kurzfilm im Bündel bedient sich der rumänische Kurzfilm «Der Ausflug» («Excursie») eines kleinen überirdischen Kniffs: Die Nachrichtensprecherin verkündet, dass Ausserirdische in Bukarest landen werden. Der neunjährige Eugen ist fasziniert von den Neuigkeiten. Er stiehlt dem Vater eine Kamera und filmt seine Umwelt. Doch plötzlich ist er unauffindbar.

Auch «Der Ausflug» mixt Genres; Mystery trifft auf grobkörnige Sozialtragikomik. Der umtriebige Regisseur Adrian Sitaru fügt seinem Film eine weitere Ebene hinzu. Er zeigt die Macht der Bilder sowie deren Manipulationskraft auf.

Eine Nacht, viele Höhepunkte

Neben metaphorischen Ausserirdischen verstecken sich hinter den anderen Türchen weitere Lametta und goldene Christbaumkugeln: geschmolzene und gebrochene Herzen, Geschichten aus dem Supermarkt, Schweizer Kurzfilmperlen, Oscargewinner der letzten beiden Jahre, belgische Eigenheiten und zu guter Letzt ein Western. Die Moderatoren Anic Lautenschlager und Andi Rohrer («Virus Voyage») führen durch die Kurzfilmnacht und erzählen ihre eigene kleine Geschichte.

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