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Neu im Kino «Favela Olímpica»: Der lange Schatten der Olympischen Ringe

Sie prägten die Olympischen Spiele in Rio 2016 mit: Korruptionsskandale, massive Kosten und Zwangsumsiedlungen. Der Dokfilm «Favela Olímpica» zeigt, wie Menschen in Rio für ihr Zuhause kämpften.

Der Bagger fährt ein, wirbelt Staubwolken auf, reisst Mauern nieder. Getöse. Weinende Menschen sehen dabei zu, wie ihr Haus dem Erdboden gleichgemacht wird.

In der Favela «Vila Autódromo» in Rio lebten einst Hunderte Familien in enger Nachbarschaft zusammen. Ursprünglich ein besetztes Gebiet, war die Siedlung im Laufe der Zeit von den brasilianischen Behörden legalisiert worden.

Die Kriminalität war gering, das Viertel friedlich. Doch mussten die Bewohner dem Olympischen Park weichen, der in unmittelbarer Nähe aus dem Boden gestanzt wurde.

Bagger reisst Häuser ab.
Legende: Die Favela wir dem Erdboden gleichgemacht Outside the Box

Nur ein Vorwand

Jahrelang hat sich Regisseur Samuel Chalard für den Film mit dem gigantischen Sportanlass in Brasilien auseinandergesetzt. Die Favela hätte durchaus neben dem Olympischen Park existieren können, so der Westschweizer.

«Aber die Siedlung galt als visuelle Verschmutzung. Der Zugang zum Olympiapark diente der Rechtfertigung, damit die Menschen verschwinden», sagt Chalard. Dahinter steckten auch Immobilieninteressen, meint der Regisseur. Später sollte dort ein luxuriöses Viertel entstehen.

Mit vereinten Kräften

Viele Bewohnerinnen und Bewohner verliessen ihr Zuhause gegen Entschädigungen und im Tausch mit anderen Wohnungen. Doch ein harter Kern widersetzte sich bis zuletzt.

«Favela Olímpica» dokumentiert, wie diese Menschen protestierten. Einander im Nachbarschaftsverein Mut zu sprachen. Sich mit der Justiz anlegten – während zwei Jahren.

Mann sprayt an die Hauswand
Legende: Nicht alle Bewohner waren käuflich. Outside the Box

Dass sie bis zuletzt für ihre Favela kämpften, erklärt sich Regisseur Chalard mit der Verwurzelung der Menschen: «Diese Bewohner haben verstanden, dass ihr Haus mehr ist als ein Dach und Mauern. Sie waren verbunden mit dem Terrain, mit den Nachbarn, mit ihrer Arbeit ganz in der Nähe.»

Wenn der Glanz verblasst

Der Dokfilm

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Outside the Box

«Favela Olímpica» wirft einen gelungenen Blick auf die Maschinerie eines gigantischen Sportanlasses. Dabei kommen nebst den Bewohnerinnen auch Verfechter der Spiele zu Wort, was für Spannung und Ausgewogenheit sorgt. Etwas schade ist nur, dass der Film die heutige Lebenssituation der Bewohnerinnen nicht erwähnt.

Auf die Bewohnerinnen und Bewohner wurde grosser Druck ausgeübt. Bei den Umsiedlungen kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen.

Dies lässt den Glanz der olympischen Feierlichkeiten in einem anderen Licht erscheinen – was auch die aktuelle Situation in Rio de Janeiro widerspiegelt.

Im Olympiapark herrscht heute gähnende Leere, ebenso im Olympischen Dorf. Gebäude wie das Velodrom sind in schlechtem Zustand.

Verbesserungen ja, aber …

Zwar mauserte sich das Hafenviertel dank der Spiele von einem gefährlichen Areal zur Boulevard-Zone.

Doch insgesamt ist Rio von den Spielen vor allem ein riesiger Schuldenberg geblieben: 4 Milliarden Franken hätten die Spiele kosten sollen – am Ende waren es mehr als 10 Milliarden, für die ein Notkredit aufgenommen wurde.

Bei vielen dieser Gelder sei unklar, wohin sie geflossen seien, so SRF-Südamerika-Korrespondentin Karen Naundorf, die damals vor Ort war.

Damit beschäftige sich nun die Justiz, «der Chef des Brasilianischen Olympischen Komitees sitzt bereits in Haft und es werden sicherlich andere folgen.» Die Olympischen Spiele haben Rio wenig Glück gebracht.

Kinostart: 14. Dezember 2017

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