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«#Female Pleasure» am Filmfestival Locarno
Aus Kultursendungen vom 08.08.2018.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 31 Sekunden.
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Neu im Kino «#Female Pleasure»: 5 Frauen kämpfen für ihr Recht

Mutig und wichtig: Im Schweizer Film «#Female Pleasure» brechen Frauen ein Tabu – und sprechen über ihre Sexualität.

Eine Jüdin bricht aus ihrer religiösen Sekte aus. Eine Inderin wirbt für die freie Partnerwahl und die Enttabuisierung von Sex. Eine ehemalige Nonne klagt die katholische Kirche wegen sexuellen Missbrauchs an.

Der Film «#Female Pleasure» nimmt sich einem Thema an, dass zum Einen Hochkonjunktur hat. Zum Anderen immer noch von beschämender Aktualität ist: die Unterdrückung der Frau, insbesondere der weiblichen Sexualität.

Die Schweizer Regisseurin Barbara Miller erzählt von fünf Frauen, deren Geschichten sie geschickt miteinander in Beziehung setzt.

Vier Frauen stehen nebeneinander in einem Kinosaal.
Legende: Regisseurin Barbara Miller (links) mit vier ihrer Protagonistinnen. Locarno Festival

Eine Somalierin kämpft gegen die immer noch weit verbreitete Praxis der Genitalverstümmelung, die sie auch am eigenen Leib erfahren musste.

Und die Japanerin Rokudenashiko verteidigt sich vor Gericht für die künstlerische Darstellung ihrer Vulva.

Eine Vulva als Comic-Heldin

«Das weibliche Geschlecht ist in Japan tabu», erklärt Rokudenashiko im Interview. «Frauen wachsen im Bewusstsein auf, dass ihr Geschlechtsteil etwas Schlechtes ist. So wurde auch ich erzogen. Das ist tief verankert.»

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5 Fragen an Rokudenashiko
Aus Kultur Extras vom 07.08.2018.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 2 Sekunden.

Doch die Künstlerin war nicht länger bereit, diese Tabuisierung zu akzeptieren. Sie machte ihre Vulva zur Mangaheldin, gab ihr damit eine Stimme.

Sie baute ein Vulva-Kajak, in dem sie das Paddeln lernte und formte bunte Miniaturlandschaften auf ihrem Vulvaabdruck. Eine Verehrung des eigenen Geschlechts, wie es sonst die Männer zu tun pflegen.

Eine japanische Frau, umgeben von Männern in Anzug.
Legende: Wegen ihrer Vulvakunst vor Gericht: Rokudenashiko. Filmcoopi

«In Japan sind viele Männer sehr stolz auf ihr Geschlechtsteil. Sie wachen morgens mit einer Erektion auf und nennen ihr Geschlechtsteil sogar ‹mein Sohn›. Die Männer sind total verliebt in ihren Penis», sagt Rokudenashiko.

Wegen einer Vulva vor Gericht

Tabuisierung der weiblichen Sexualität: Dieser Umstand führt dazu, dass Rokudenashiko aufgrund ihrer Vulvakunst mit dem Vorwurf der «Obszönität» vor Gericht steht.

Das mag auf uns skurril wirken, ist aber letztlich nur die rechtlich verankerte Überspitzung einer Praxis, die auch im europäischen Raum gilt.

Die Darstellung eines Penis ist auch hierzulande sehr viel üblicher als die detailgetreue Nachbildung einer Vulva.

Audio
«#Female Pleasure»: Regisseurin Barbara Miller im Gespräch
aus Kultur-Aktualität vom 07.08.2018. Bild: Filmcoopi
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 29 Sekunden.

Die Regisseurin Barbara Miller stiess auf ihren Reisen – egal wo auf der Welt – auf die immer gleiche Problematik: Die weiblichen Sexualität wird tabuisiert und der weibliche Körper negiert.

Recherchen auf der ganzen Welt

Die Frauen begleitet Barbara Miller beinahe fünf Jahre lang, mit grossem Fleiss und spürbarem Einfühlungsvermögen. Alle fünf erfahren auf sehr unterschiedliche Art und Weise das Gleiche: Gewalt aufgrund ihres Geschlechts.

Eine dunkelhäutige Frau spricht zu einer Gruppe lachender Frauen.
Legende: Für ihren Film ist Barbara Miller in alle Teile der Welt gereist. Filmcoopi

«Der Blick der Pornografie auf Frauen etwa, ist der Blick, der in den letzten 2000 Jahren in Bezug auf die Frauen vorherrschte. Die Frau ist ein Objekt, ein Lustobjekt und keinesfalls ein Subjekt. Sie ist nicht diejenige, die über ihren Körper allein bestimmt», sagt die Regisseurin.

Sexueller Missbrauch in der Kirche

«Ich war 19 Jahre alt, als ich ins Kloster eintrat. Es war etwas Besonderes, so wie andere in diesem Alter zu Greenpeace gehen. Ich war sehr religiös und wollte ein Abenteuer erleben», berichtet die Theologin und Philosophin Doris Wagner. Die ehemalige Nonne erfuhr schmerzlich, wie frauenfeindlich das Kloster tatsächlich ist.

«Relativ bald habe ich realisiert, wie unterschiedlich die Rollen von Männern und Frauen in der Gemeinschaft sind. Mir wurde vermittelt, ich habe als Frau eine grössere Verantwortung, da Männer ‹schwächer› seien.»

«Ich konnte das niemandem erzählen»

Was das bedeutet, bemerkte sie, als ein Priester neben ihr stand und sie ahnte, was der von ihr will.

Doris Wagner wurde klar: «Ich komm hier nicht raus. Wenn mir hier etwas passiert, bin ich schuld. Ich kann das niemanden erzählen. Niemand im Haus würde sich auf meine Seite schlagen», erzählt sie.

Eine Frau, in eine Decke gewickelt.
Legende: In «#Female Pleasure» sprechen fünf Frauen über ein Tabu: Sexualität und sexueller Missbrauch. FIlmcoopi

Sie erfuhr sexuellen Missbrauch im Orden. Ihre Bemühungen, sich intern dagegen zu wehren, verliefen im Sande.

Erst als Doris Wagner den Schritt wagte, aus dem Orden auszutreten und laut über ihre Erfahrungen zu sprechen, wurde ihr Aufmerksamkeit zuteil.

«Wie bei den Kindermissbrauchsfällen gilt: Solange es keine öffentliche, weltweite Empörung gibt, geschieht nichts», sagt Wagner. «Deshalb habe ich zwei Bücher geschrieben. So will ich Druck aufsetzten, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.»

Gegenseitiges Verständnis der Geschlechter

«#Female Pleasure» ist ein wichtiger Film – für das Selbstverständnis von Frauen und das gegenseitige Verständnis der Geschlechter.

Barbara Miller schafft es mit den von ihr gewählten fünf Beispielen klar herauszuarbeiten: Jede Frau in diesem Film hat etwas mit der anderen und letztlich mit uns allen zu tun. Jede Frau in diesem Film kämpft für ihre Rechte und damit für die Rechte von uns allen.

Kinostart: 15. November 2018

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