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Neu im Kino «Thor: Love and Thunder»: Sie schwingt den Hammer, er scherzt nur

Natalie Portman beweist als ebenbürtige Superheldin an Chris Hemsworths Seite: Es braucht keinen Dödel, um Thor zu sein.

Einen riesigen Vorteil haben fantastische Filme: anything goes. Mehr noch: Auf gesellschaftliche, biologische oder sonstige Einschränkungen zu pfeifen, betrachten viele gar als die grösste Stärke dieses Genres.

Das Marvel Cinematic Universum (MCU) ist diesbezüglich nicht ganz so frei. Schliesslich sollen Comic-Nerds, die um die Ursprünge ihrer Idole wissen und denen das gedruckte Bild heilig ist, nicht vergrault werden.

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More than Thor gibt's derzeit am Filmfestival NIFFF in Neuchâtel
aus Kultur-Aktualität vom 06.07.2022. Bild: Miguel Bueno
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 16 Sekunden.

Dass nun eine Dame den Kriegshammer Mjölnir schwingt, haben sich folglich nicht genderbewusste Hollywood-Autoren ausgedacht: Die weibliche Figur Mighty Thor tauchte schon 2014 in einem Comic auf. Ein Jahr später wurde deren menschliche Identität enthüllt: Hinter der neuen Superheldin steckt eine Astrophysikerin namens Jane Foster. 

Weder Jane Fonda noch Jodie Foster

Jane Foster? Klingt irgendwie vertraut. Trotzdem dürften nur Fans den Namen richtig zuordnen können: So heisst nämlich die menschliche Freundin des Donnergottes, die in Thors Kinoabenteuern jeweils von Natalie Portman gespielt wird. Wirklich wichtig war diese Figur im MCU allerdings bisher nicht.

Lady Thor liebt Mister Thor: Natalie Portman blickt Chris Hemsworth vor kitschigem Hintergrund in die Augen.
Legende: Mighty Thor (Natalie Portman) versinkt in den Augen von Odins Sohn (Chris Hemsworth). Marvel Studios / Disney

Am meisten Platz wurde ihr im zweiten Teil («The Dark Kingdom») eingeräumt: als diejenige, die Thor anschmachten und schliesslich von ihm gerettet werden durfte.

Erst jetzt, im vierten «Thor», schwingt sie sich – der Comic-Vorlage folgend – zur Heldin auf: Indem sie dem Ruf des verlorengeglaubten Hammers Mjölnir folgt und dessen Superkräfte nutzt, um das Wachstum ihres Brustkrebses hinauszuzögern.

Die Rollenverteilung ist frisch, der Humor nicht

Die Machtverhältnisse haben sich verschoben: In «Thor Four», wie man den neuen Film lautmalerisch nennen könnte, begegnen sich die Figuren von Natalie Portman und Chris Hemsworth erstmals auf Augenhöhe. Ja, die weibliche Thor-Variante benimmt sich in den gemeinsamen Szenen sogar deutlich heroischer als ihr männliches Pendant.

Während sie selbstsicher den Hammer Mjölnir in der Hand hält, trauert er insgeheim der guten alten Zeit nach, in der er beide fest im Griff hatte: die göttliche Waffe Mjölnir und die irdische Schönheit Jane Foster. Denn nun ist alles anders: Immer wieder muss er zu Kreuze kriechen, um seine eifersüchtige Streitaxt Stormbreaker zu besänftigen. Und auch die Liebe der mächtig verwandelten Jane Foster muss hart erkämpft werden.

Regisseur Taika Waititi posiert 2020 mit seinem Drehbuch-Oscar, den er für «Jojo Rabbit» gewonnen hat.
Legende: Den Drehbuch-Oscar hat er schon gewonnen: Regisseur Taika Waititi im Februar 2020. Keystone / Richard Shotwell

Im Zentrum von «Thor: Love and Thunder» steht also eine komplizierte Beziehungsgeschichte, deren komödiantisches Potenzial Regisseur Taika Waititi voll auszuschlachten weiss. Dessen Credo lautet ganz offensichtlich: lieber ein Witz zu viel als zu wenig. Masse vor Klasse. Wer dachte, Waititi habe die Grenzen des Möglichen bereits mit «Thor 3» ausgereizt, wird hier eines Besseren belehrt.

Selbstgefällige Narretei ohne klare Narration

Waititis neuster MCU-Streich ist eine regelrechte Gagparade, die eher an überdrehte Genre-Parodien der 1990er erinnert, als an Thors erste zwei Leinwand-Abenteuer. Der mit viel Ironie und Nostalgie verwendete Soundtrack von Guns n’ Roses passt bestens dazu.

Völlig aus dem Rahmen fällt dagegen der von Christian Bale hingebungsvoll verkörperte Bösewicht: Sein vor Gravitas und Tragik nur so strotzender Charakter Gorr ist – umgeben vor blökenden Weltraum-Ziegen und anderen Witzfiguren – buchstäblich im falschen Film.

Christian Bale als «Götterschlächter» Gorr in einer Schwarzweiss-Aufnahme des Films, in der er kaum zu erkennen ist.
Legende: Fast schwarz-weiss und doch nicht farblos: Christian Bale als «Götterschlächter» Gorr. Marvel Studios / Disney

Nicht nur die Tonalität, auch die Erzählung selbst macht wilde Sprünge. Das wirkt manchmal originell, meist aber bloss unfokussiert. «Thor: Love and Thunder» dürfte das Publikum darum mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurücklassen. Waititi bleibt eine Bereicherung fürs Marvel-Universum – auch wenn nicht jede seiner schreienden Ziegen schreiend komisch ist.

Kinostart: 07. Juli 2022

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 06. Juli 2022, 07:06 Uhr

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