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TV-Serien: Kult und Kultur Zensur ist zum Lachen: Libanesische Web-Serie über Kontrollwahn

«Mamnou» ist der Titel einer Satire über die rigide libanesische Zensurpolitik. Auf Deutsch bedeutet das arabische Wort «Verboten» - und verboten wird im Libanon immer mehr. Serien wie «Mamnou» sind in den traditionellen libanesischen Medien undenkbar, im Netz herrscht aber «Narrenfreiheit».

Miefige Büroatmosphäre und ein ruppiger Ton, die Darstellung von «Mamnou» gibt den Inhalt der Web-Serie auf den ersten Blick filmisch wider: Im Zensurbüro arbeiten der Oberst und seine Mistreiter zwischen Kaffeepausen daran, Künstler mundtot zu machen. Bei vermeintlich anrüchigen Bildern gehen sie mit schwarzem Edding ans Werk, verunstalten kunstvolle Titel durch Beamtensprache oder streichen Schlüsselszenen aus Filmen.

«Mockumentary» führt Zensurpolitik ad absurdum

Statt die libanesische Zensurpolitik direkt und offen zu kritisieren, greift der 22-jährige Produzent Nadim Lahoud die Behörde mit einer so genannten «Mockumentary», einer fiktiven Dokumentation an. In zehn fünfminütigen Episoden führt er die Zensurpolitik vor - und unterhaltsam ad absurdum. So streichen die Beamten in «Mamnou» Schimpfworte wie «Scheisse» aus Film-Skripten, während sie Gewaltszenen durchwinken. Oder es geht um Korruption durch Häppchen, mit denen Regisseure Beamten ihre Theatervorstellungen schmackhaft machen.

«Die Zuschauer sollen darüber lachen. Aber sie sollen sich auch fragen, wie Menschen solche Entscheidungen treffen können. Warum überhaupt jemand bestimmen darf, was ich als erwachsener Mensch anschauen darf und was nicht», so fasst Nadim Lahoud die Motivation für die Web-Serie zusammen. Im Libanon gebe es zwar viele gute Kampagnen gegen Zensur, doch gehe es dabei immer um konkrete Entscheidungen. «Vor uns hat niemand die Idee der Zensur so grundsätzlich und direkt angegriffen«, so Lahoud, der derzeit als Investmentbanker in London lebt.

Grossaufnahme eines Mannes, der in jeder Hand einen Stempel in die Höhe hält.
Legende: Sergent Najem (Bassel Madi) mit roter Tinte und dem alles entscheidenden Stempel «Verboten». zvg

Realitätsnahe Comedy - kein Slapstick

Zusammen mit dem libanesischen Drehbuchautor Camille Salamé hat er einzelne Zensur-Fälle aus den Medien aufgegriffen und daraus Geschichten über den Behördenalltag gesponnen. Eine investigative Recherche gab es für «Mamnou» nicht – das wäre wohl auch schwierig gewesen. Und doch seien die Szenen erstaunlich realitätsnah, wie Lahoud erzählt: «Viele Künstler kamen danach auf uns zu und haben gesagt: Genauso läuft es da ab, woher habt ihr das gewusst?» Trotzdem ist «Mamnou» vor allem Kleinkunst, kein übergeschnappter Slapstick, sondern Comedy.

«Mamnou» bringt Zensurbehörde zum Schweigen

Als «Mamnou» im Frühjahr 2012 mit den ersten Folgen online ging, musste Lahoud damit rechnen, die reale Zensurbehörde auf den Plan zu rufen. Denn selbst Fiktionsfilme wie «Persepolis» oder «Beirut Hotel» wurden im Libanon verboten. Doch während die Zensurbehörde normalerweise Künstler zum Schweigen bringt, war es bei «Mamnou» anders. Auf die Veröffentlichung folgte nur eine Reaktion: Schweigen: «Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartet. Dieses Schweigen war grossartig: «Mamnou» ist eine Serie über die Zensur, aber sie ist nicht zensiert», so Nadim Lahoud.

Video
Nadim Lahoud über das Schweigen der Zensurbehörde
Aus Kultur Extras vom 18.12.2012.
abspielen. Laufzeit 37 Sekunden.

Die libanesischen Medien haben aber reagiert und wohlwollend über die Web-Serie berichtet - auch wenn solche Inhalte in ihrem Heft oder Programm undenkbar sind. So titelt beispielsweise die französischsprachige libanesische Tageszeitung «L’Orient le jour»: «Mamnou3: Web-Dynamit gegen die Zensur».

Freie Meinungsäusserung im Internet

Auch im Internet melden sich auf Youtube oder Facebook begeisterte Stimmen zu Wort: «Vielen Dank für die spassigen Augenblicke!» oder «Das Internet ist heute der Motor der freien Meinungsäusserung. Twitter und Facebook sind für die Veröffentlichung von Ideen und Meinungen unverzichtbar, genauso wie Blogs, Webseiten und Serien wie «Mamnou»!, schreibt beispielsweise der Facebook-User Rayan Beydoun.

Im Libanon ist das Internet ein Ort, wo statt Zensur die Meinungsfreiheit herrscht. Im Netz ist Platz für Kritik an Staat und Gesellschaft, für traditionelle Medien völlig indiskutabel.Verlass ist auf das Internet allerding nicht, denn die Verbindung ist instabil. So widmeten Nadim Lahoud und sein Team die Webserie «Mamnou» auch «liebevoll» der Samir Kassir Stiftung für Meinungsfreiheit - «trotz schlechter Internetverbindung».   

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