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Film & Serien Viktor Giacobbo, der kleine Imperialist

«Der grosse Kanton», die ironische Bezeichnung für Deutschland, ist titelgebend für Viktor Giacobbos satirischen Dokumentarfilm. Deutsche und Schweizer Prominente werden gefragt: «Was, wenn Deutschland ein Kanton der Schweiz würde?» Die schöne Idee verliert auf die Dauer aber an Witz.

Roger De Weck, Generaldirektor der SRG SSR idée suisse, ist auch Viktor Giacobbos Chef. Und nennt diesen augenzwinkernd einen «kleinen Imperialisten», wenn er Deutschland als neuen Kanton der Schweiz einverleiben wolle.

Der «Kleine Imperialist» Giaccobo, der zusammen mit Mike Müller jeweils am Sonntag in «Giacobbo/Müller» das Geschehen der Woche ironisch zusammenfasst, ist geübt darin, auch mal freche und aufs erste Hören unsinnige Fragen zu stellen. Für seinen Film, eine satirische Dokumentation, hat der Winterthurer Kabarettist diesseits und jenseits der Landes- und möglichen künftigen Kantonsgrenze Politiker, Schriftstellerinnen, Wissenschaftler und Passanten gefragt, was sie denn davon halten würden, wenn Deutschland ein Schweizer Kanton würde.

Illustre Gästeschar

Bundesrätin Doris Leuthard, SVP-Mann Oskar Freysinger, der Zürcher Germanistik-Professor Peter von Matt, Ex-UBS-Chef Oswald Grübel, der bayrische Kabarettist Gerhard Polt und der deutsche Grünen-Chef Cem Özdemir sind nur einige der illustren Persönlichkeiten, die Viktor Giacobbo befragt. Seine Interviewpartner lassen sich – zum Teil mit ernsthafteren, zum Teil mit spitzfindigen, humorvollen Ideen – gerne auf das Gedankenspiel ein.

Tell-Spiele statt Oberammergauer Passion?!

Die Interviewten kommen teilweise auf recht schräge und abseitige Gedanken: Der Schriftstellerin Elke Heidenreich würde es zum Beispiel Sorgen bereiten, wenn die Oberammergauer Passionsspiele den Tell-Festspielen weichen müssten und Jesus durch Tell ersetzt würde. Joschka Fischer wiederum hat Bedenken wegen der Mentalitäten und meint, dies würde wohl mit Süddeutschland, aber nicht mit dem Rest funktionieren.

2725 Prozente mehr Minarette

Viktor Giaccobo gliedert seinen Film nach Fragen zum Fluglärmstreit, zu den Steuern, den Banken, zum politischen System und so weiter. Ab und zu lockert er seinen Film, der vor allem aus sogenannten «Talking Heads», also sprechenden Köpfen, besteht, mit einigen absurden Statistiken auf – er errechnet zum Beispiel eine Zunahme der Minarette um 2725 Prozent. Dafür, so die Statistik, sinkt die Zahl der deutschen Ausländer, über die man sich vor allem in Zürich allenthalben etwas aufregen mag, schlagartig auf null. Das wären ja dann alles Schweizer aus dem «grossen Kanton».

Hübsche Idee – zu langer Film

Audio
Brigitte Härng über Witz und Langwierigkeit in «Der grosse Kanton»
aus Kultur kompakt vom 14.05.2013.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 24 Sekunden.

Von der Sendung «Giacobbo/Müller» weiss man: Viktor Giacobbo ist ein Meister der kurzen Satire, seine Sketche sind bissig und witzig. Leider ist der Film «der grosse Kanton» fast 90 Minuten lang. Und da zeigt sich dann doch, dass eine hübsche Idee und gute Gäste leider keinen guten Kinofilm machen. Zu lang ist er, um sich die ganze Zeit nur um die eine Frage zu drehen. Da gehen viel Ironie, viel Witz und viel Satire, die eigentlich da wären, einfach in der Langwierigkeit verloren. Da hat Gregor Gysi leider auch in Bezug auf diesen Film Recht, wenn er sagt, dass er – mit seinen Schweizer Vorfahren sowieso – durchaus viele Argumente habe, die dafür sprechen, Deutschland der Schweiz anzugliedern. Aber letztlich sei auch ihm – als langsamen Typen – sehr Vieles in der Schweiz doch zu langsam.

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