Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Film & Serien Wie man von Hollywood abkupfert – und einen Oscar gewinnt

Er muss wissen, wie Kino funktioniert: Mit seinem Erstling «Das Leben der Anderen» gewann Florian Henckel von Donnersmarck direkt einen Oscar. Nun hat der Regisseur ein Buch geschrieben. In «Kino!» schreibt er über die Filmkunst, Ideenklau bei Hollywood und ein prägendes Erotikdrama.

Mit vier Jahren war es um Florian Henckel von Donnersmarck geschehen – er verfiel dem Kino. Der Grund war ein Versehen: Statt wie geplant in der Kindervorführung, sass er mit seinem Vater in einem Erotikdrama, dem Stummfilm «Varieté» aus den Zwanzigerjahren. Ein folgenschwerer Besuch, wie er in seinem Buch beschreibt:

Ein Mann beugt sich über eine junge eingeschüchterte Frau und schliesst versteckt die Türe ab.
Legende: Prägender Kinobesuch für Henckel von Donnersmarcks: der Stummfilm «Varieté» (1925). Universum Film

«Das also war Kino, dachte ich mir. Es gefiel mir besser als Literatur (denn das waren zu dem Zeitpunkt für mich ‹Die kleine Raupe Nimmersatt› und ‹Babar auf Reisen›). Es wird mir wahrscheinlich nur schwer jemand glauben können – aber hier überlegte ich mir zum ersten Mal, Filmemacher zu werden.»

Ein Kämpfer fürs Kino

Persönliche Anekdoten wie diese erfährt der Leser ebenso wie Theoretisches: auf knapp 120 Seiten in kurzen Essays, die sich alle ums Thema Film drehen. «Kino!» heisst denn auch selbstbewusst das Buch. «Kino» – mit Ausrufezeichen. In einer Zeit, in der Filmsäle reihenweise schliessen und Streaming-Dienste wie Netflix oder iTunes boomen, fast schon ein Zeichen von Trotz: Kino, jetzt erst recht.

Wo aber steht das Kino heute, zwischen Kunst und Kommerz? Das ist die Frage, die sich als roter Faden durch das Buch des Regisseurs zieht.

Theoretiker und Tüftler zugleich

Die Antworten sind nicht immer gleichermassen gut. Im schlechteren Fall hat der Autor einen Hang zum Schwadronieren. Stark wiederum ist Henckel von Donnersmarcks dann, wenn er ungewohnte Blicke auf vermeintlich Banales wirft: auf den Trailer, das Sequel oder den Regisseur. Letzterer etwa ist für ihn ein Lügendetektor, der die Schauspieler auf ihr wahrhaftiges Spielen prüft.

Doch Henckel von Donnersmarck ist nicht nur Theoretiker, er ist auch handwerklicher Tüftler. Und hat, anders als manch anderer europäischer Regisseur, keine Scheu, bei den marktorientierten Amerikanern abzukupfern. Im Gegenteil:

«In Hollywood beherrschen sie Dinge, die wir hier einfach noch nie gemacht haben. Und ich will sie alle lernen. Ich komme mir manchmal vor wie ein holländischer Renaissance-Maler, der einige Zeit in Italien verbringt, um sich die dortigen Techniken anzueignen. Er gibt sich bewundernd, hat aber das heimliche Ziel, noch besser zu werden als die italienischen Meister.»

Look-Hollywood, aber mit günstigeren Mitteln

Drei Männer sitzen vor vor einer dunklen Holzwand und diskutieren.
Legende: Tüfteln bis zur besten Idee: Florian Henckel von Donnersmarck (rechts) am Set von «Das Leben der Anderen». Florian Henckel von Donnersmarck

Ambitionen sind das eine, genügend Geld das andere. Aber Not macht bekanntlich erfinderisch. Das zeigt der spannendste Teil im Buch «Kino!», in dem Henckel von Donnersmarck über seine Arbeit am DDR-Drama «Das Leben der Anderen» berichtet. Für ihn war klar: Er wollte keinen, wie er sagt, «deutschen» Film drehen. Zu träge, zu wenig luxuriös ist ihm dieser. Stattdessen orientiert er sich an Hollywood – kopiert den Look, aber mit kostengünstigeren Mitteln.

Ein Mittel, diesen Hollywood-Look zu erzeugen, ist für ihn die Farbwelt eines Films: Weniger Farben lassen Filme glamouröser wirken. Amerikaner würden dafür schon mal ganze Strassenzüge umsprühen. Henckel von Donnersmarck bedient sich eines simpleren Tricks: Er ersetzt am Set alle roten und blauen Gegenstände durch orangefarbene und grüne – und fertig ist der DDR-Look, der dann letztlich auch die Oscar-Jury überzeugt.

Buchhinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Florian Henckel von Donnersmarck: «Kino!» Suhrkamp, 2015.

Solche Anekdoten sind es, die einen über schwächere Stellen im Buch hinwegsehen lassen. Die Essay-Sammlung etwa scheint etwas beliebig zusammengewürftelt, doch man spürt: Hier hält einer die Fahne für das Kino hoch, auch wenn die Zeiten für Filmemacher schon rosiger waren.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 18.3.2015, 7.20 Uhr.

Meistgelesene Artikel