SRF: Die Befürworter der USR III haben viel Geld ausgegeben: Auf 15 Millionen Franken schätzte die SP deren Gesamtaufwand. Das Marktforschungsunternehmen Media Focus errechnete Werbeausgaben von 6,7 Millionen für die Befürworter, 880‘000 Franken für die Gegner. Wie haben Sie diesen Abstimmungskampf wahrgenommen?
Michael Hermann: Diese Abstimmung war ein sehr schönes Fallbeispiel zur Frage: «Kann man Abstimmungen in der Schweiz kaufen?». Betrachtet man den Abstimmungskampf und die Mittel, die eingesetzt wurden, stellt man eine grosse Einseitigkeit fest. Trotzdem wurde die Vorlage von der Bevölkerung klar abgelehnt. Das zeigt zumindest eines deutlich: Kaufen kann man Abstimmungen nicht.
Ist ein solches Ungleichgewicht der Mittel in der Schweizer Politik die Regel?
Ja, das war eine typische Asymmetrie. Wir sehen sie immer, wenn Wirtschaftsinteressen auf soziale oder ökologische Interessen stossen. Auf der rechten Seite ist mehr Geld vorhanden, weil die Wirtschaftsverbände und Unternehmer in den Abstimmungskampf eingreifen.
Es gilt ja häufig als eher unsympathisch, sehr viel Geld zu investieren.
Weshalb ist es so schwierig, an verlässliche Zahlen heranzukommen, wie viel Geld bei Wahlen und Abstimmungen eingesetzt wird?
Man kann eigentlich nur die Werbung messen und nicht feststellen, welche Summen tatsächlich in eine Kampagne gesteckt werden, weil wir keine Transparenzpflicht haben. Niemand muss diese Zahlen offenlegen, deshalb wird es auch kaum gemacht. Es gilt ja häufig als eher unsympathisch, sehr viel Geld zu investieren.
Diese Zahlen zu ermitteln ist eine ungenaue Wissenschaft. Mit der Grössenordnung der Zahlen können wir als Beobachter dennoch etwas anfangen. Entscheidend ist, dass es solche Asymmetrien gibt, wie wir sie bei der USR III wieder gesehen haben.
Als einziges Mitgliedsland des Europarats kennt die Schweiz keine Vorschriften zur Politikfinanzierung. Weshalb halten hier die meisten Parteien so wenig von finanzieller Transparenz?
Gelder offenlegen oder nicht? Sieben Parteien geben Antwort.
Was halten die Parteien davon, den Schleier über der Politikfinanzierung zu lüften? Wir haben sieben Parteien die Grundsatzfrage zur Transparenz gestellt. | |
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Antworten der Parteien. |
Ein Faktor ist sicher, dass in der Schweiz nicht nur die Transparenz unterentwickelt ist, sondern auch die Parteienfinanzierung. Die Parteien sind mausarm. Nicht sie können Abstimmungskämpfe finanzieren, sondern Verbände, vor allem Wirtschaftsverbände, aber auch die Gewerkschaften oder der WWF.
Weil die Parteien arm sind, fürchten sie die Transparenz. Sie haben Angst davor, noch weniger Spenden zu erhalten. Spender, die nicht sichtbar werden wollen, würden nichts mehr bezahlen. Dieser Effekt ist auch zu erwarten.
Wäre für Sie mehr Transparenz in der Schweizer Politikfinanzierung wünschbar?
Absolut. Als Politikwissenschaftler und Bürger will ich wissen, wer wie viel zahlt, aber nicht nur bei Abstimmungs- und Wahlkampagnen. Ich möchte auch wissen, wer im Parlament Lobbying betreibt.
Denn die Leute, die mehr Geld haben, können beispielsweise die Gesetzgebung stärker beeinflussen. Durch die Transparenz ändert sich das Gleichgewicht nicht automatisch. Aber ich möchte Bescheid wissen. Denn zur Demokratie gehört immer auch Transparenz.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 27.03.2017, 9:02 Uhr.