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Ausstellung «Letzte Front» Mit Kriegsbildern gegen den Krieg

Der Fotograf Andrea Rocchelli rückte in seinen Bildern immer die Menschen ins Zentrum. Auch im Ostukraine-Konflikt, den er mit seiner Kamera dokumentierte. 2014 kam er dort ums Leben.

Wie sieht Krieg aus? Vielleicht so: Eine Mutter und eine Schar Kinder sitzen zusammengepfercht in einem Kellerloch, beleuchtet nur durch das fahle Licht einer Glühbirne. Die Furcht steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Andrea Rocchelli hat diese Fotografie im Frühjahr 2014 gemacht, in einem Keller irgendwo im Konfliktgebiet in der Ostukraine, wo pro-russische Separatisten und ukrainische Regierungstruppen sich heftig bekämpften und die Zivilbevölkerung zwischen die Fronten geriet. Das Bild ist Teil einer Serie namens «Bunker».

Humanistische Botschaft

Es ist kein Zufall, dass die Ausstellung in der Photobastei in Zürich gerade damit beginnt. «Einerseits ist das Bild fotografisch sehr schön. Es sieht aus wie ein Gemälde. Andererseits hat es, wie die ganze Ausstellung, einen humanistischen Kern», sagt der Kurator der Ausstellung Klaus Rózsa.

Eine Familie im Osten der Ukraine.
Legende: Jede Nacht versteckt sich diese Familie vor dem Bombenhagel im Keller. Andy Rocchelli / CESURA

«Man solidarisiert sich mit der Familie. Wenn man das Bild betrachtet, überlegt man sich: ‹Was haben diese Menschen erlebt? Was haben sie danach erlebt? Und leben sie überhaupt noch?›»

Der Mensch im Zentrum

Klaus Rózsa weiss um die Macht von Bildern und die Verantwortung des Fotografen. Seine Fotografien der Zürcher Jugend-Unruhen in den 1980er Jahren sind in die Geschichte eingegangen.

Wie er selbst, habe auch Andrea Rocchelli immer die Menschen in den Mittelpunkt seiner Bilder gestellt: «Zum Beispiel sieht man bei seinen Kriegsbildern keine blutüberströmten Gliedmassen. Es sind immer ruhige, kaum hektische Bilder. Trotzdem zeigen uns die Bilder, dass er zutiefst betroffen ist von dem, was er fotografiert hat.»

Ein Mensch in Kampfmontur steht an einer brennenden Barrikade.
Legende: Andrea Rocchelli dokumentierte die Proteste auf dem Maidan in Kiev. Andy Rocchelli / CESURA

Dokumentarist der Gewalt in der Ukraine

Im Februar 2014 war Andrea Rocchelli in die Ukraine gereist und hatte den Aufstand auf dem Maidan in Kiew dokumentiert. Seine Aufnahmen aus diesen Tagen zeigen die Energie der Proteste und die Gewalt auf beiden Seiten.

Einige Monate später bereiste er die Ost-Ukraine, wo er das alltägliche Leben inmitten der Gewalt fotografierte. Improvisierte Checkpoints im Nirgendwo, zerschossene Autos, leere Schützengräben und immer wieder: Menschen, die Schutz suchen.

Nie sei es Andrea Rocchelli dabei um eine Inszenierung des Krieges gegangen, betont Kurator Rózsa: «Ich sehe keine Ästhetisierung des Krieges. Aber ich sehe ein humanistisches Grundbedürfnis, mit seinen Bildern aus dem Krieg gegen den Krieg zu mobilisieren.»

Ungelegene Journalisten

Als Fotojournalist suchte Andrea Rocchelli mit seinen Bildern die Wahrheit – in einem Konflikt, in dem es kein Gut und Böse gibt und die Front mitten durch Dörfer verläuft. Wie die Kriegsführung hat sich auch die Kriegsberichterstattung verändert.

«Häufig sind es nicht mehr Länder, die gegeneinander Krieg führen. Meistens sind es innerstaatlichen Konflikte, die von vielen verschiedenen Parteien geführt werden. Journalisten kommen ihnen ungelegen, weil sie damit rechnen müssen, dass ihre barbarischen Verhaltensweisen in die Welt hinausgetragen werden.»

Ausgebombter Lastwagen im Osten der Ukraine.
Legende: Ein ausgebrannter Lastwagen im Osten der Ukraine. Andy Rocchelli / CESURA

Ungeklärter Angriff

Am 24. Mai 2014 starben der 31-jährige Andrea Rocchelli und sein Dolmetscher durch gezielten Mörserbeschuss. Wer hinter dem Angriff stand, ist bis jetzt ungeklärt. Die Kriegsparteien beschuldigen sich gegenseitig.

Ausstellungshinweis

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Andrea Rocchelli war nicht nur als Kriegsfotograf bekannt. Er hat unter Anderem auch Arbeiten zu Showgirls in Italien oder zur Ausbeutung der Migranten in Kalabrien gemacht. Die Photobastei Zürich zeigt eine grosse Auswahl aus seinem Werk. Die Ausstellung dauert noch bis zum 14. Januar 2018.

Im Juni dieses Jahres wurde in Italien ein Mann verhaftet, der für den Angriff verantwortlich sein soll. Der Prozess steht noch aus.

Letzte Bilder als Herz der Ausstellung

Das Herz der Ausstellung sind mehrere grossformatige Bilder: die letzten Aufnahmen, die auf Andrea Rocchellis Kamera gefunden wurden. Sie sind wohl unmittelbar vor seinem Tod entstanden. Die Gruppe hatte sich in einem kleinen Waldstück versteckt und Schutz gesucht.

Auf den etwas verwackelten Fotos sind Rocchellis Begleiter zu sehen, wie sie am Boden kauern, die Angst ins Gesicht geschrieben. Das ist so beklemmend wie eindrücklich. Auch so sieht Krieg aus.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 28.11.2017, 06:50 Uhr

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