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Bibel-Übersetzung Ein Pfarrer wagt eine sprachliche Gratwanderung

Pfarrer Martin Fontana aus Flims übersetzt die Bibel ins Sursilvan. Eine heikle Aufgabe, denn es lauern sprachliche Fettnäpfchen.

Die Universität Zürich ist in Feierlaune. Sie verleiht am Samstag Martin Fontana aus Flims die Ehrendoktorwürde. Der reformierte Pfarrer wird für ein Mammut-Projekt geehrt: die Übersetzung der Bibel ins Sursilvan. Martin Fontana ist 84 Jahre alt, denkt aber noch lange nicht ans Aufhören.

Vater Romanisch, Mutter Zürcher Mundart

In seiner Studierstube in Flims stehen viele alte Bücher. Der Pfarrer hat auch zig Übersetzungen. Die Übersetzung der Heiligen Schrift ist seine Lebensaufgabe geworden.

Es wurde ihm gewissermassen in die Wiege gelegt, das Übersetzen. Denn er ist wie viele im Bündnerland zweisprachig aufgewachsen: Sein Vater sprach Sursilvan, seine Mutter stammte aus der Gegend von Zürich.

«Die Herzenssprache» in der Kirche

Die Liebe zur Sprache hat Martin Fontana ein Leben lang begleitet – im Studium, als Pfarrer und auch als Pensionär. Es ist ihm wichtig, dass es die Bibel auch auf Sursilvan gibt. So sei sie näher bei den Leuten: «Es ist etwas sehr Wichtiges, dass die Sprache der Kirche auch die Herzenssprache ist, also die Muttersprache.»

Der reformierte Pfarrer sieht sich auch in der Tradition der Reformation: Luther, Zwingli und Calvin machten dem Volk die Kirchensprache verständlich. Auch Fontana hat das Anliegen, «die Sprache des Volkes, des Herzens, wiederzufinden».

Übersetzungs-Fettnäpfchen

Im Team mit römisch-katholischen und reformierten Theologen übersetzt er die Bibel schon seit 50 Jahren. Das ökumenische Team stosse hin und wieder auf Schwierigkeiten, sagt Fontana.

Denn infolge der Reformation entwickelte sich die Sprache unterschiedlich. Der reformierte Pfarrer im Unruhestand spricht von einer «katholischen und einer reformierten surselvischen Sprache».

Ausgerechnet bei der Jungfrau Maria drohe ein Fettnäpfchen, wenn nicht gar Gotteslästerung. Denn das katholische Wort für Jungfrau «purschala» klinge in reformierten Ohren wie «das weibliche Schwein», erklärt Fontana.

«Deus» oder «Diu»?

Der 84-Jährige ist ein Mann, der sich gewählt ausdrückt. Das Wort «Sau» geht ihm nicht so schnell über die Lippen – doch nichts anderes ist ja ein weibliches Schwein. Nun ist Maria Empfängnis aber alles andere als eine versaute Angelegenheit.

Katholiken und Reformierte einigten sich schliesslich darauf, «Jungfrau» mit «giuvna» zu übersetzen, was auch «junge Frau» bedeute. Doch es gibt auch harmlosere Unterschiede: Gott nennen die Reformierten «Deus», die Katholiken hingegen «Diu». Und der Tag wird reformiert «gi» geschrieben, katholischen aber «di».

Noch zehn Jahre durchhalten

Auch wenn das Übersetzen philologische Präzisionsarbeit ist, bei Fontana geschieht es aus einem tiefen Glauben heraus. Zugleich ist es ein politisches Anliegen: «Das Romanische liegt auf dem Krankenbett. Es braucht besondere Anstrengungen, um das Bewusstsein in der Bevölkerung, in den Familien, am Leben zu erhalten», sagt er.

Bis die neue Bibel-Übersetzung fertig ist, dauere es noch zehn Jahre, sagt Martin Fontana. Er ist aber noch fit und strahlt den Tatendrang aus, den man für das philologische Mammutprojekt wohl braucht.

Die zehn Jahre will er noch durchhalten. Und in der Ehrenpromotion der Uni Zürich sieht er nicht nur eine Würdigung der Teamarbeit, sondern auch den Ansporn, diese zu Ende zu führen.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 27.04.2018, 17:10 Uhr

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