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Kampf um den Gotthard - Alfred Escher und Stefano Franscini
Aus Die Schweizer vom 28.11.2013.
abspielen. Laufzeit 52 Minuten 26 Sekunden.
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Gesellschaft & Religion Bühne frei für die Helden: Geschichte mit dramaturgischem Kniff

Die Serie «Die Schweizer» auf SRF 1 ging mit der vierten und letzten Folge zu Ende, der Titel: «Kampf um den Gotthard – Alfred Escher und Stefano Franscini». Wieder hat die Historikerin Caroline Arni die Folge und die Geschichte der beiden Helden kritisch angeschaut.

«Wir bauen den längsten Tunnel der Welt» – «Si, si, man muss gross Ideen haben, Escher.» Der Zürcher Alfred Escher und der Tessiner Stefano Franscini – sie sind die Protagonisten der letzten Folge von «Die Schweizer». Es geht um den Kampf um den längsten Tunnel der Welt, den Eisenbahntunnel durch den Gotthard. Die Schweiz ist Mitte des 19. Jahrhunderts wirtschaftlich weit im Rückstand hinter ihren Nachbarn.

Würde sie im Kino sitzen und diesen Film sehen, wäre sie sehr zufrieden, sagt Caroline Arni, Professorin an der Universität Basel. Die Historikerin hat sich sehr intensiv mit der Serie auseinandergesetzt und für SRF Kultur auch die vierte und letzte Folge beäugt. «Ich fand den richtig gut, als ein Film über Escher, über diese Person mit ihrer Tragik.»

Helden in den Vordergrund

Alfred Escher (Samuel Weiss).
Legende: Alfred Escher (Samuel Weiss). SRF/Daniel Ammann

Aber: Wenn sie diesen Film als Historikerin betrachtet, dann hat sie Fragezeichen. «Was in diesen Filmen dramaturgisch sehr gut gelingt, ist gleichzeitig auch etwas das Problem im Kontext und in der Absicht dieser Serie.»

Aufklären und Erklären ist die Absicht hinter der Doku-Fiction-Reihe. Das versucht sie, indem sie Helden in den Vordergrund rückt, die uns mit ihrer Menschlichkeit ans Herz gehen. Damit macht die Serie die Geschichte zur Bühne, zur Bühne für den Auftritt der Helden.

«Weil man so eben Geschichten erzählen kann», sagt Caroline Arni, «aber damit schliesst man historische Verläufe und Prozesse in diese Figuren ein.» Eingeschlossen bleibe beispielsweise der Prozess, der dafür verantwortlich war, dass die Schweiz damals so unterentwickelt war im Vergleich zu den Nachbarn. Eingeschlossen darum, weil es im Film vor allem darum geht, den Aufbruch zu zeigen – mit Escher als Held auf dieser Bühne.

Prozesse gehen weiter

«Die Schweizer» im Check

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Nach jeder Ausstrahlung von «Die Schweizer» resümierte ein Experte bei SRF Kultur Online das Gezeigte: Wo sind aus historischer Sicht blinde Flecken und heikle Punkte? Was verdient Lob, was Kritik? Der Mittelalterspezialist Lucas Burkart prüfte die erste und zweite Folge, Historikern Caroline Arni Teil 3 und 4 (19. Jahrhundert).

Auffällig ist für Arni auch, wie die Erzählung strukturiert ist, indem sie von Errungenschaft zu Errungenschaft gehe. Escher und Franscini planen den Gotthard. Es fehlt das Geld, deshalb gründen sie die Kreditanstalt. Und weil ebenso die Ingenieure fehlen, gründen sie die ETH. Franscini stirbt, und Escher baut den Gotthardtunnel alleine.

Doch bald kommt es zu Problemen: Die Arbeiter versinken im Elend, der Generalingenieur hat sich verspekuliert, der Gotthardtunnel wird doppelt so teuer wie geplant und Escher, der machtgewohnte Patrizier, wird zum Bettler bei Bundesrat Emil Welti. «Der mächtigste Mann im Land klopft an meine Tür und bettelt», sagt der Bundesrat im Film.

Ein Problem auch für Historiker

«Was sich hinter diesen Errungenschaften verbirgt, sind historische Prozesse, die gehen weiter und sind nicht einfach abgeschlossen», so Arni. Beispielsweise das Bankenwesen: Welche Bedeutung hatte dieses für den schweizerischen Wirtschaftsimperialismus in den folgenden Jahrzehnten und im 20. Jahrhundert? Oder der Gotthardbau: «Der Film nimmt sehr schön Bezug auf Arbeitskämpfe und auf die Entstehung der neuen Schicht der Arbeiterklasse. Wie die Industrialisierung auf sie baut, sie aber auch unterwirft. Doch das ging weiter, daraus entstanden die Arbeitskämpfe und es folgten schliesslich die Sozialversicherungen.»

Der dramaturgische Kniff mit den Helden und ihren Errungenschaften ist also nur bedingt geeignet, Geschichte zu erklären. Ein Problem, das auch Historikerinnen und Historiker kennen, wie Caroline Arni zugibt. «Wir schliessen aus dem Besonderen der Person auf das Allgemeine ihrer Zeit – und umgekehrt.»

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